Auf Spitz und Blog

 

Multum, non multa (Plinius)

 

Viel, nicht vielerlei: Tägliche Wasserstands-Meldungen, zum Wetter oder zur Stimmung, sind hier nicht zu finden.
Sondern über den Tag hinausweisendes Nachdenken, über die Sprache und Grammatik, über Orte und Örter und über die Schrunden (und Schrullen) der Zeit.

 

 

In Memoriam Lars Schultze-Kossack

 

Ist es zu fassen? Nicht einmal 50 Jahre alt, ist der Literaturagent Lars Schultze-Kossack einer tückischen Krankheit erlegen. Nicht nur ich habe Lars viel zu verdanken, die ganze Branche trauert um einen unnachahmlichen Streiter für das Buch und die Literatur weit über Deutschland hinaus, vor allem aber auch um diesen lieben Menschen. Auch ich bin fassungslos. Lieber Lars, ruhe in Frieden.

 

Ostern, sprachgeschichtlich betrachtet

 

Wer schon immer wissen wollte, woher letztlich unser Wort "Ostern" kommt, den muss ich insofern enttäuschen, als man das nicht genau weiß. Die von den Brüdern Grimm ins Spiel gebrachte Frühjahrsgöttin Ostara scheint es nach heutigem Forschungsstand eher nicht zu sein. Auch ein etymologischer Zusammenhang zum deutschen Wort "Urständ" = Auferstehung ist unwahrscheinlich.

Man nimmt eher an, dass die alte indoeuropäische Wurzel "us" = Morgenröte eine Rolle spielt (sie tut es auch beim Wort "Osten"), erweitert um ein Suffix. Daraus entstand dann "Ostern", grammatikalisch ein Plural wie "Weihnachten" und "Pfingsten" - daher "Frohe Ostern".

 

Leipzig-Nachlese

 

Erst spät entschied ich mich für einen Besuch der Leipziger Buchmesse, nicht alle meine Hoffnungen, die ich vorher hegte, erfüllten sich. Trotzdem kann ich mit der Messe sehr zufrieden sein. Ich fühlte mich beim Gmeiner-Verlag wertgeschätzt und lernte das Cover meines neuen Romans kennen. Freuen durfte ich mich über (alte und) neue Kontakte zu Verlagen und Kolleginnen, vor allem auch zu Bloggerinnen und Redakteurinnen.

So gilt es jetzt, den Stolz auf mich selbst in positive Kreativität umzuwandeln für weitere literarische Schandtaten.

  

Und jetzt?

 

Das Romanmanuskript ist abgegeben, das Verlagslektorat hat noch etwas Zeit. Es ist wie ein anarchistisches Interregnum. Man hat Zeit, mal spielerisch an Dinge heranzugehen - wer mich kennt, der weiß, wie schwer mir das fällt. Neue Ideen und Projekte, erste (und sehr ambitionierte) Exposés sind zu Papier gebracht. Kaffeehäuser sehen mich öfter als sonst.

Soderle, und jetzt? Einen dritten Kaffee.

 

Auszeit

 

Nach einigen unangenehmen Infekten, die mich den Winter über geplagt haben, bin ich derzeit ziemlich müde. Ein paar Tage Pause liegen hinter mir. Die aber keine Untätigkeit sein kann, zumal ich gerade meinen Roman nochmals durchsehe. Ich mach mich also an die Arbeit und hoffe auf einen baldigen Frühling. Hofft Ihr darauf nicht auch, Hand aufs Herz?

  

Sigmund Freud und die Kunst

 

Die Tübinger haben ihre Kunsthalle weit (vielleicht zu weit) aus der Stadt hinaus gebaut. Herrlich freilich ist der Blick auf die Schwäbische Alb. Derzeit beherbergt die Kunsthalle die Ausstellung "Sigmund Freud und die Kunst". Die Wiener Schule, die zeitlich mit den bahnbrechenden Erkenntnissen Freuds zusammenhängt, spielt in der Ausstellung nur eine Nebenrolle; es dominiert Kunst nach 1945. Auch über Freuds Kunstsammlung (er sammelte antike Skulpturen und Preziosen) erfährt der Besucher nichts. Trotzdem eine grad in ihrer Beschränkung lobenswerte Ausstellung. Zu empfehlen ist ferner ein Besuch des Museumscafés.

 

Etymologie von "Weihnachten"

 

Weihnachten ist, wie Ostern und Pfingsten, ein Mehrzahlwort; sprachgeschichtlich ein Dativ Plural: mhd. (ze den) wihen nahten. Gegenwärtig setzt sich der grammatikalische Singular im Neutrum durch. Dem Wort zugrunde liegt, auch heute gut erkennbar, neben Nacht das Verb weihen.

 

Glamour

 

Das Deutsche kennt kein genau entsprechendes Wort. Ehre, Ruhm, Glanz und Ansehen decken semantisch bloß Teilbereiche ab, sind teils negativ konnotiert. Das ist kein Zufall, zum einen Folge der (wenig glamourösen) deutschen Geschichte. Zum andern liegt es an unserer Neigung, dem bloßen Schein ein Jäckchen aus Geist und Sinn anzulegen.

Der erste wirklich glamouröse Mensch der deutschen Geistesgeschichte ist wohl Richard Wagner. Gleichzeitig sägte Nietzsche am metaphysischen Gerüst und propagierte so den (von ihm noch nicht so genannten) glamourösen Menschen. Dass er mit Wagner brach, liegt zum einen daran, dass Wagner der Metaphysik nicht ganz hat abschwören wollen. Zum andern halt daran, dass ein wahrhaft Glamouröser nur einen Glamourösen bei sich duldet: sich selbst.

     

Die Orgelbauerin

 

Mein neuer Roman, den ich gerade abschließe, erzählt die Geschichte einer Pionierin des Orgelbauhandwerks. Was heute selbstverständlich, aber doch noch irgendwie "exotisch" ist, Frauen in Handwerksberufen, war vor 100 Jahren und in der Weimarer Republik ein großes Wagnis.

Der Roman erzählt von Paula, die mit 30 Jahren nochmal ganz neu anfängt und dabei an Männer-Domänen rührt. Sie muss sich familiärer sowie gesellschaftlicher Widerstände erwehren. Flankiert wird die Familiengeschichte von der Geschichte des Bauhauses, das in seinen Anfangsjahren ebenfalls "zurück zum Handwerk" wollte. 

 

Zum 100. Geburtstag Loriots

 

In diesen Tagen hätte der große und so vielfältig begabte deutsche Humorist seinen 100. Geburtstag feiern können. Geboren als Sohn preußisch-mecklenburgischer Adeliger, ist über das Deutsche, vielleicht auch Preußische, seines Humors oft und viel nachgedacht worden. Ihn zeichnet jenes mitfühlende Understatement aus, das zwar trifft, aber nicht über Gebühr verletzt.

Nicht zuletzt darin war und ist er mir ein Vorbild.

 

Buchmesse Frankfurt 2023 - ein Fazit

 

Vier prall gefüllte Messetage, die am Donnerstag mit einem schon um 4 Uhr klingelnden Wecker begannen. Standdienst beim BVjA, dazu Verlag, Agentur, Syndikat, Mörderische Schwestern. All die wertvollen Begegnungen und Gespräche mit lieben Kolleginnen und Kollegen.

Dazu ein großertiger Autoren-Workshop von Hanna Aden, zu Geschichtenentwicklung, Plot und Pitch.

Möge ich noch lange von dem Zauber dieser Messetage zehren.

 

 

Musikinstrumente, sprachlich betrachtet

 

Einige Musikinstrumente haben in der deutschen Sprache in metaphorische Wendungen Einzug gehalten.

Man triumphiert oder scheitert mit Pauken und Trompeten, man posaunt etwas heraus. Hinzu kommen einige Instrumente, deren deutsche Wörter noch eine andere Bedeutung haben (zum Beispiel Horn). Den Schülern wird der Stoff eingepaukt, nicht zuletzt vom  Pauker. Auch rund um das Klavier gibt es manches.

Es fällt auf, dass es gleich mehrere geläufige Wendungen mit der Geige gibt. Hier ist sie unangefochten und nicht durch die Violine verdrängt. So darf fortan (allenfalls) noch die zweite Geige spielen, wenn man etwas vergeigt hat. Umgekehrt wiederum hängt für die ersten Violinen der Himmel voller Geigen.

 

 

Kipppunkt 

 

Es ist das neue Modewort der Journalisten; ein jeder pinselt es vom anderen ab, obwohl es mal kein Anglizismus ist. Und kippdiwupp sind wir alle am Kippen.

Was an diesem Wort so fasziniert? Vielleicht das plakative dreifache ppp. Wir denken an "Pleiten, Pech und Pannen".

 

 

Martin Luther in Eisenach

 

Der junge Luther, etwa 100 km entfernt nordöstlich geboren, besuchte die zu dieser Zeit renommierte Lateinschule in Eisenach (damals gab es noch nicht viele solche Schulen). Über seine Ankunft ranken sich zahlreiche Legenden, die sich um die Erzählung "armer Bauern Kind" drehen, die Luther selbst nach Kräften lancierte. Luthers Vater war kein "armer Bauer", er betrieb nicht nur Landwirtschaft, sondern war auch im Bergbau tätig, nach heutigen Maßstäben Unternehmer. Nun gut. Der jugendliche Martin habe, um sich ein paar Kreuzer für überhaupt ein Dach über dem Kopf zu verdienen, fleißig Kurrende gesungen. Worauf er ob seiner schönen Stimme der Frau von Cotta auffiel, die ihn dann im Hause der Familie Cotta aufnahm. Dieses Haus ist erhalten und heute ein Luther-Museum. 

Lifestyle for Luxus

 

"Lifestyle" ist derzeit sehr angesagt - ein typischer Anglizismus, der einen mit mondäner Weltläufigkeit umwölkt. Er gehört zudem zu den Euphemismen, weil er auch dazu dient, das im Deutschen verpönte Wortfeld "Luxus" zu vermeiden. Prompt gibt es auch keine Luxus-Probleme mehr, Lifestyle-Probleme klingen besser und ... womit wir wieder bei der verheißungsvoll urbanen Weltläufigkeit wären, ohne die der deutsche Michel nicht mehr auskommen kann. 

 

An der Tauber - und ob!

 

Die Tauber, ein Nebenfluss des Mains, ist eine Welt für sich. Man bereise sie tunlichst in ihrem ganzen Lauf. Obwohl sie nur 130 Kilometer lang ist, finden wir eine Vielzahl von Landschaften, eng und waldig, breit und mit Wein an den sonnenbeschienenen Hängen. Napoleon wollte es, dass der an sich fränkische Fluss (zu etwa gleichen Teilen) zu Baden, Württemberg und Bayern kam. Nicht nur Rothenburg ist ein Kleinod, auch Städtchen wie Bad Mergentheim, Wertheim, Röttingen, Weikersheim und Creglingen lohnen einen Besuch.

Von mir daheim ist die Tauber nicht weit, mich zieht es immer wieder dorthin.

 

Der Hesselberg in Altmühlfranken

 

"Jetzt kennen wir uns über 30 Jahre und ich war immer noch nicht auf dem Hesselberg", gab meine Frau vor kurzem zu verstehen.

Na, das geht gar nicht. Der knapp 700 Meter hohe Hesselberg in Altmühlfranken ist ein Ort unserer Familiengeschichte. Meine Eltern haben sich dort oben kennengelernt, denn auf dem Hesselberg gibt es die Landvolkshochschule, eine Einrichtung der evangelisch-lutherischen Kirche - zunächst für die Aus- und Fortbildung in der ländlichen Diakonie, also mit dem Schwerpunkt Land- und Hauswirtschaft.

Heute heißt sie "Evangelisches Bildungszentrum Hesselberg" und ist weit über den land- und hauswirtschaftlichen Bereich in der Erwachsenenbildung engagiert. Der Hesselberg ist darüber hinaus geologisch (als "Zeugenberg" der Alb) interessant und geschichtlich brisant. Die Nazis erklärten ihn zum "Heiligen Berg der Franken" und organisierten dort Aufmärsche und Veranstaltungen, insbesondere den von dem Gauleiter Julius Streicher inszenierten "Frankentag".

   

Die Criminale in Darmstadt

 

Letzte Woche war es so weit - Krimiautorinnen und -autoren trafen sich zur Criminale in Darmstadt. Rings um die Einsatzzentrale haben Peter und sein unwiderstehliches Team wieder ein Event der Extraklasse organisiert. Intensives Netzwerken, Umarmen und nur wenig Schlaf. Ist fast wie Klassenfahrt. Nur dass es bei der Criminale keine Außenseiter gibt. Denn wir wissen: Nur diese Vielfalt an Autoren-Temperamenten macht die Vielfalt unserer Krimis aus.

Ein DANKE an Darmstadt, und auf ein Neues 2024 in Hannover!   

 

Im Storycamp

 

Eben kam ich zurück vom Storycamp in Buchenbach bei Freiburg im Breisgau. Andreas Kirchgäßner und Bernd Storz veranstalten es zweimal im Jahr - und es geht ums Plotten hart am Projekt. Zusammen mit ihnen und neun weiteren großartigen Kolleginnen und Kollegen erfuhr mein neues Romanprojekt entscheidende neue Impulse. Mein noch sehr tüdeliger Plot wurde dort plötzlich zu einer Räuberpistole. Motivationsschub pur. Danke Euch allen, die Ihr mir geholfen habt!

 

Ostern etymologisch

 

Das Wort Ostern (und das englische Easter) geht zurück auf eine altgermanische Wurzel ostra. Deren Herkunft verliert sich im Dunkel der Geschichte und ist deshalb umstritten. Bemerkenswert ist, dass in allen anderen germanischen Sprachen das lateinische (albae) paschales durchscheint, also wie in den romanischen Sprachen.

Der Karfreitag kommt von dem alten Wort kara = Trauer, Leid; der Gründonnerstag hat nichts mit grün zu tun, sondern mit dem Verbum greinen = weinen. Er nimmt also auch auf die christliche Leidensgeschichte Bezug.

      

Max Reger (1873-1916)

 

Vor 150 Jahren, am 19.3.1873, wurde der Komponist Max Reger in Brand am Rande des Fichtelgebirges geboren. Früh zeigte sich seine Genialität, die ihn sein allzu kurzes Leben atemlos arbeiten, komponieren ließ. Als einer der eher wenigen aus seiner Komponisten-Generation widmete er der Orgel einen großen Anteil an seinem Schaffen, war selbst ein Orgelvirtuose.
Der er, wollte er seine Werke selbst spielen, auch sein musste.

Unersättlich war nicht nur sein Appetit, maßlos war auch sein Geltungsdrang. Kam er in seinen Augen zu kurz, zeichnete er auch mal mit "Rex Mager". 1916 verstarb er einsam in einem Leipziger Hotel an Herzversagen - er hatte sich, erst 43 Jahre alt, buchstäblich zu Tode gegessen, getrunken und gearbeitet. Sein Werk ist nicht leicht zu fassen, schwierig wie er als Mensch. Er ruhe in Frieden.

    

Leipzig

 

Es hat nicht sollen sein. Familiäre Verpflichtungen, ein rasch fertigzustellendes Roman-Manuskript und weitere literarische Schandtaten um den Messetermin rum haben mich bewogen, heuer auf einen Besuch der Leipziger Buchmesse zu verzichten.

Mir ist diese Entscheidung nicht leicht gefallen. Für mich ist es sehr wichtig, dass diese Messe dieses Jahr wieder stattfindet. Sie hat mir in den Corona-Jahren sehr gefehlt, weil sie eben Leipzig ist und nicht Frankfurt. Erfrischend anders, weil deutlich näher an uns Autor(inn)en und Leser(inn)en.

 

Zum 75. Todestag Karl Valentins

 

Ich gedenke seiner, nicht nur seiner als Künstler. Er ward zu meinem Protagonisten, zur Hauptfigur meines ersten Romans "Der falsche Karl Valentin".

Seine letzten Lebensjahre waren von Krieg und Hunger geprägt. Noch mehr aber litt er daran, dass die Münchner seinen Humor nicht mehr verstanden, obschon er mit seiner Partnerin Liesl Karlstadt bis kurz vor seinem Tod auftrat.

Um die "Verkältung", die sich zu der letztlich tödlichen Lungenentzündung auswachsen sollte, ranken sich gar viele Geschichten. Karl Valentin starb am 9. Februar 1948, einem Rosenmontag.

Er ruhe auf ewig in Frieden.

 

 

Plot inspiriert

 

Hier waren sich alle einig: Das Plot-Seminar mit Friederike Schmöe, das der Gmeiner-Verlag dieser Tage im schönen Fulda organisiert hat, war großartig. Eine Runde, die wie handverlesen zusammenpasste. Gemeinsames Arbeiten, Essen, Beisammensein und viel Output. Mein Dank gilt daher dem Verlag, der Dozentin und allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern für das großartige Miteinander.

 

Bitte Geduld

 

Ich bin derzeit eher schweigsam, was meine neuen Projekte betrifft. Mein neues Roman-Projekt ist ins Stocken geraten, es muss umgeplottet werden, um historisch stimmiger zu werden. Die Recherche ist ziemlich schwierig, Anfragen werden ohne Substanz (oder gar nicht) beantwortet.

Einerseits verstehe ich, dass die Leute derzeit andere Sorgen umtreiben, andererseits bin ich enttäuscht. Ich bin ein Mensch, der gern (vielleicht sogar zu gern) was für andere tut, doch bei anderen anscheinend planmäßig die Abwimmelungs- und Ignorierensroutinen anlaufen lässt. Frustrierend ist das.

    

Martin - Pelzmärtel

 

Am 11. November gedenken die Kirchen des heiligen Martin, des Bischofs von Tours mit seinem Mantel. Dieses warme Kleidungsstück hieb er der Martins-Legende nach in zwei Teile, um es mit einem frierenden Bettler zu teilen.
In den evangelischen Gegenden Frankens kommt bis heute der Pelzmärtel ins Haus und schenkt, wie anderswo der heilige Nikolaus, allen Kindern Nüsse, Äpfel und Süßigkeiten. Auch bei uns in der Familie war es so. Vielerorts wird der Brauch inzwischen nicht mehr gepflegt, und daran ist der Nikolaus schuld. Sicherlich auch der Weihnachtsmann, Santa Claus etc. pp.

Zu viele Rauschebärte, zu viel Weihnachts-Kommerz.

   

Orgelbau in Thüringen

 

Der Orgelbau in Thüringen ist von der Nähe zu Sachsen (dem es dynastisch verbunden war), Franken und Hessen mit inspiriert. Die geographisch-kulturelle Kleinteiligkeit des Landes spiegelt sich auch im Orgelbau - der eine, alles dominierende Großbetrieb fehlt hier.

Wichtige Zentren des Orgelbaus waren etwa Paulinzella, Schmiedefeld, Stadtilm und die Enklave Ostheim vor der Rhön. Auch Weimar beherbergte Orgelbauwerkstätten und war darüber hinaus ein Zentrum der Orgelforschung.

 

Die Papiermühle zu Homburg am Main

 

In Homburg/Main, gelegen zwischen Wertheim und Marktheidenfeld, besuchte ich vor einigen Tagen ein einzigartiges Industriedenkmal, eine in den Betriebseinrichtungen fast vollständig erhalten gebliebene Papiermühle. Angetrieben von einem Mühlrad, taten die Maschinen der Mühle, die meisten davon noch aus dem 19. Jahrhundert, bis 1975 ihren Dienst. Zuletzt produzierte die Mühle ausschließlich Karton-Papier für Aktendeckel, also für Ämter und Justiz.

Sie ist nach wie vor in der Obhut der Unternehmerfamilie Follmer, die heute Führungen in der Mühle gibt. Ab und zu gibt es Werkstattvorführungen. Ein einzigartiges Denkmal ländlicher Industriegeschichte und jedem für einen Besuch empfohlen.

 

Was erlauben ...?

 

Zu meinen Lieblingswendungen im Deutschen zählt mit Verlaub, das etymologisch sehr bezeichnend ist. Gewiss, dahinter steckt das Wort (sich) erlauben, es wird aber durch die Vorsilbe ver- in sein Gegenteil verkehrt, ähnlich wie bei kennen/verkennen.

Gemeint ist: Ich weiß, dass ich mir das eigentlich nicht erlauben kann, aber ich tue/sage es trotzdem.

 

Daran erkenn ich meine ...

 

Pappenheim wird man so schnell nicht vergessen, es liegt malerisch in einer Schleife der Altmühl. Wie in Schillers "Wallenstein" nachzulesen ist, spielten Pappenheimer Truppen im Dreißigjährigen Krieg eine gewisse Rolle, die Soldaten waren einst für ihre Tapferkeit bekannt.

Leider gelten die "Pappenheimer" heute als unsichere Kantonisten. Unverdientermaßen. Wie auch immer, besucht Pappenheim, es lohnt sich. Noch mehr über diese Gegend ist in meinem Krimi "Mord im Altmühltal" zu erfahren.

  

Wunderwerk Sprache

 

Was macht Sprachen einzigartig? Dieser Frage geht der niederländische Journalist und Autor Gaston Dorren nach. In seinem Buch In 20 Sprachen um die Welt macht er uns auf ebenso anregende wie unterhaltsame Weise mit den Weltsprachen vertraut, auch mit dem Deutschen. Vor allem führt er uns in die Welt der uns fremden Sprachen Asiens ein. Und zwar sehr belesen und bewandert; er kennt (oder spricht sogar) selbst viele der hier von ihm beschriebenen Sprachen. 

Demnächst mehr in der Rubrik "Aus der Welt der Bücher".

 

Ein Kapitel Sprachgeschichte

 

Im Deutschen (analog auch im Englischen) mutieren starke Verben öfters zu schwachen Verben. Derzeit zum Beispiel melken, molk/melkte, gemolken und backen, buk/backte, gebacken. Meistens hält sich also die starke Form beim Partizip Perfekt länger als beim Präteritum.

Die Mutation von schwach zu stark gibt es im Deutschen offenbar nicht.

  

Iserlohn

 

Es ist eigenartig, welch wichtige Rolle Iserlohn, die (eher unscheinbare) Stadt am Rande des Ruhrgebietes, in meiner Autorenlaufbahn spielt. Einen Inspirationsort der Stadt gibt es leider nicht mehr: das Literaturhotel Franzosenhohl. Mit den großartigen Menschen darin absolvierte ich erste Übungen auf der Bühne des Künstlers. Jetzt fand auch meine erste Criminale als Krimi-Autor in Iserlohn statt.
Iserlohn fordert auch den Philologen in mir heraus: Der Name kommt nicht von "Lohn", sondern von "Loh(e)" = Wald. "Iser" bedeutet Eisen. Es wurde dort geschürft, und schon früh wurde die Stadt ein Zentrum der eisenverarbeitenden Industrie (Nägel und Draht). Im sehenswerten Museumsdorf Barendorf kann die Industriegeschichte Iserlohns näher erkundet werden.

 

Die schönste Post

 

Egal ob Kurzgeschichte in einer Anthologie oder ein eigenständiger Roman, das Verlags-Paket mit den Freiexemplaren ist stets etwas Besonderes. Heute hielt ich zum ersten Mal meinen Roman Mord im Altmühltal in Händen, ein erhebender Moment im Leben eines Autors.

Mein Dank gilt dem Gmeiner-Verlag und meiner Lektorin Christine Braun, die aus dem Projekt Krimi ein wunderbares Buch haben werden lassen. Tausend Dank!

 

Scheinfeld in Franken

 

In Kürze ziehen meine Frau und ich von Stegaurach bei Bamberg nach Scheinfeld. Ganz ehrlich: Man muss Scheinfeld nicht kennen, findet es aber leicht auf der Landkarte, denn es liegt fast genau in der Mitte zwischen Würzburg und Nürnberg.

Literarisch geworden ist die Kleinstadt, ohne dass sie darin beim Namen genannt würde, durch Goethes "Götz von Berlichingen"; das Stück beginnt in dem oberhalb Scheinfelds gelegenen Schloss Schwarzenberg. Mit dem Schwarzenberger Land darum herum bildet Scheinfeld einen katholischen Stachel im ansonsten protestantischen Landstrich, der zu "Ansbach-Bayreuth" gehörte.

 

Wider den Krieg

 

Ob nun in der Ukraine oder sonstwo auf der Welt: Krieg kennt nur Verlierer. Im Fall der Ukraine: Der weitaus größte Verlierer wird derjenige sein, der ihn vom Zaun gebrochen hat: Präsident Wladimir Putin. Schlimm genug, dass es überall immer noch Menschen, Politiker und "Journalisten" gibt, die sich vor den Karren dieses skrupellosen Aggressors spannen lassen.

 

Wetzlar, einst und jetzt

 

Vergangenes Wochenende reiste ich nach Wetzlar. Die Stadt ist mit Goethe verbunden, gilt aber heute vor allem als Industriestadt. Die "Leica", die erste Kleinbild-Kamera der Welt, wurde dort entwickelt und wird auch heute noch dort produziert. Ihre Geschichte wird in einem großartigen Museum erzählt. Die malerisch ansteigende Altstadt mit dem Dom ist ebenfalls sehenswert. Der Dom gehört zu den wenigen großen Kirchen, die noch heute Simultankirchen sind und daher beiden christlichen Konfessionen gleichermaßen zum Gottesdienst dienen.

Vom Typ her ist der Dom eine Hallenkirche eher westfälischer Prägung; er geht mit den Schiffen in die Breite.

  

Schreib-Ergonomie

 

Jede Bandscheibe würde zusammenzucken, wenn sie mich mal am Schreibtisch sähe, ich rutsche gerne mit dem Gesäß nach vorne und sitze fast wie ein Fragezeichen. Ihr zuliebe rüste ich reumütig um und lasse meinen Tisch mittels Laptop-Aufsatz zu einem Stehpult werden.

Angenehmer Nebeneffekt: Ich sehe besser, wer so alles draußen an unserem Haus vorbei spaziert kommt.

 

Franz Schubert

 

Leider ist Schubert schon bald in die falsche Schublade gesteckt worden. Die Vorstellung vom pausbackerten, trinkfesten Weaner, von Weib, Wein und Gesang hat immer wieder dafür gesorgt, dass seine Musik unterschätzt wurde, und zwar bis auf den heutigen Tag. Sicher, er hat, auch aus Geldnot, vielen zu gerne einen Gefallen tun und flachere Stücke schreiben müssen. Seine großen, absoluten Werke sind aber ebenso zeitlos gültig wie das Oeuvre von Beethoven oder Mozart - und noch mehr: Mozarts Musik ist gewiss brillant, sie berührt mich aber nicht.
Also ist mir Franz Schubert von allen großen Komponisten der Nächste, vermutlich auch deswegen, weil er mir als Mensch sehr ähnlich gewesen sein muss.

 

Logbuch Roman

 

Es ist jedes Mal ein Abtasten, selbst mit fertigem Plot - erste Schritte über schwankende Planken.

Heute war es so weit, ich habe die Niederschrift meines neuen Roman-Projekts mit einer ersten Szene begonnen. Ohne brennende Kerze, Schlabberpulli oder andere Rituale, aber mit der Erleichterung, meiner Angst vor dem gähnend leeren Blatt Papier wieder mal ein Schnippchen geschlagen zu haben.

Demnächst mehr.

 

Mein Erfolgs-Tagebuch

 

Künstler neigen dazu, sich kleinzumachen, unbedeutend zu fühlen und ihre Stärken und Fähigkeiten zu relativieren. Dieser Kleingläubigkeit (oft auch als Hochstapler-Phänomen bezeichnet) versuche ich nun mit einem Erfolgstagebuch entgegenzuwirken.

Es ist mein zweites solches Tagebuch. Das erste habe ich nach etwa einem Jahr beiseite getan - nachdem ich die Messlatte für das, was des Eintragens würdig sei, immer höher gelegt hatte. Richtig ist es aber umgekehrt: Kein Erfolg, kein Hochgefühl ist zu klein und flüchtig hierfür, und jeder sollte sein Tagebuch immer wieder zur Hand nehmen und in den Eintragungen schmökern.

  

Frankfurter Buchmesse

Müde, aber wunderbar inspiriert bin ich aus Frankfurt zurückgekommen. Meine Messe-Highlights:
Das Treffen des Syndikats, wo ich - wie am Messestand der Mörderischen Schwestern - viele wunderbare Kolleginnen und Kollegen zum ersten Mal persönlich kennenlernen durfte,

das kollegiale Miteinander mit meinen Kolleginnen und Kollegen, Freundinnen und Freunden beim Bundesverband junger Autorinnen und Autoren

und nicht zuletzt zwei wunderbare Workshops mit Kay Noa und Ria Hellichten beim Buchmessen-Seminar des BVjA in Gelnhausen. Wie wohltuend ist es doch, einander nun endlich wieder "in echt" begegnet zu sein! 

 

Vom Walk of Shame zum Walk of Fame

 

Selbst große Künstler und Künstlerinnen, Autoren und Autorinnen machen sich oft klein und unbedeutend; Selbstzweifel nagen an ihnen. Diese auch als Hochstapler-Phänomen bezeichnete Kleingläubigkeit ist weit verbreitet. Gründe sind erlernte Verhaltensmuster, fehlendes Zutrauen in die eigenen Stärken und die hierzulande oft tradierte Überhöhung der Tugend Bescheidenheit.

In diesem Workshop gab uns die Wiener Mental- und Resilienz-Trainerin Monika Lexa wertvolle Hilfe zur Selbsthilfe. In gezielten Übungen und mit viel Humor stimulierte sie in uns gesunde Un-Bescheidenheit und ließ uns innerlich gleich um mehrere Zentimeter wachsen. Danke, liebe Monika!

 

Die Legende von Paul und Paula

 

Zu den Highlights meiner Recherchereise nach Weimar am vergangenen Wochenende gehörte ein Besuch des Nationaltheaters. Gespielt wurde eine Bühnenfassung des DDR-Film-Klassikers Die Legende von Paul und Paula. Plenzdorf erzählt darin die Geschichte zweier Liebender in den Zwängen der sozialistischen Gesellschaft. Der Film kam 1973 in die Kinos, zu einer Zeit, als sich Honecker nach der Absetzung Ulbrichts in ideologischen Lockerungsübungen versuchte. Das Tauwetter endete 1976 mit der Ausbürgerung Wolf Biermanns; eine Bühnenfassung des Films wurde vor der Premiere abgesetzt.

Die Aufführung hat mich überzeugt - und betrachtet man das Ende recht, wird auch klar, wieso Honecker den Film passieren ließ: Am Ende stirbt nicht der Kader-Karrierist Paul, sondern das Berliner Gör Paula, für die in der DDR kein Platz war.

 

Neulich im ICE

 

Eine junge Angestellte der Bahn stellt sich im Zug einer Familie mit kleinen Kindern als "Kinder-Betreuerin" vor und bietet unter anderem Malbücher und Stifte an. Die schroffe Antwort: Nö. Kein Dank, kein freundliches Wort. Der Reaktion der Angestellten nach zu schließen, ist ihr nicht zum ersten Mal solch Desinteresse zuteil geworden. Schlimm. Mir geht so etwas sehr zu Herzen.

  

Die Altmühl

 

In meinem demnächst erscheinenden Altmühlfranken-Krimi spielt auch der Fluss selbst eine gewisse Rolle. Der, so die Anrainer, langsamste Fluss Deutschlands entspringt auf der Frankenhöhe nahe Burgbernheim und erreicht nach 227 km bei Kelheim die Donau. Wobei die Altmühl nur um ca. 120 Meter fällt, daher die niedrige Fließgeschwindigkeit. Sie führt zunächst durch Franken, später durch Altbayern. Auf ihren letzten Kilometern gehört sie zum Rhein-Main-Donau-Kanal.

Im "Neuen Fränkischen Seenland" ist die Altmühl heute mit dem Stromgebiet des Mains verknüpft und gibt dadurch Wasser an das trockene Mainfranken ab.

   

Das Dubbeglas

 

Das Dubbeglas ist das in der Pfalz übliche Glas für Schobbe und Schorle und fasst einen halben Liter. Der Name resultiert daraus, dass dieses Glas tupfenartige Vertiefungen in der Größe etwa einer Fingerkuppe besitzt, aber keinen Stiel.

So schmiegt sich dieses Glas an die Finger und liegt sicher in der Hand, selbst nach dem dritten Schoppen.

Ehrensache, dass auch in meinem demnächst erscheinenden Kurzkrimi "Jagdszenen aus Edenkoben" aus einem Dubbeglas getrunken wird.

 

Jahr der Orgel 2021 - Typologie der Orgelpfeifen

 

Die Pfeife macht den Ton - sonst ist es bloß Wind. Die Orgel ist also ein Blasinstrument. Man unterscheidet nach deren Bauart Labial- oder Lippenpfeifen und Zungenpfeifen. In der Lippenpfeife entsteht der Ton, ähnlich wie bei der Blockflöte, durch eine mundartige Öffnung am Pfeifenfuß, die zusammen mit der Schwingung der Pfeife selbst den Klang generiert. Lippenpfeifen gibt es aus Metall und aus Holz. Entsprechend unterschiedlich klingen sie auch.

Bei der Zungenpfeife, deren Ton oft dominant ist, schwingt hingegen ein Metallblättchen im Innern der Pfeife.

 

Witz und Humor

 

"Du schreibst aber witzig."

"Nein, nicht witzig, sondern humorvoll. Einen Witz erzählt, wer ihn partout zum Besten geben will. Humor dagegen ist nie dosiert, ist kein Stilmittel, sondern eine Haltung. Eine Lebenseinstellung, die nicht nur der Welt, sondern vor allem auch sich selbst gegenüber Distanz und Bescheidenheit wahrt."

 

In der Ruhe liegt die Kraft

 

Derzeit ist es ruhiger als sonst, auch hier auf meiner Homepage. In absehbarer Zeit steht für meine Frau und für mich ein Umzug an, Renovierungs-Arbeiten wollen geplant und getätigt sein. Zwei neue Roman-Projekte sind zu stemmen, dem aktuellen steht bald das Verlags-Lektorat ins Haus.

Vorgestern habe ich meinen 54. Geburtstag gefeiert. Auch schwere Zeiten haben in mir Spuren hinterlassen. Schöpferische Pausen sind nötiger denn je.

 

Etymologie von Ostern

 

Die Etymologie von Ostern - und engl. Easter - ist streitig und nicht zweifelsfrei geklärt. Jakob Grimm etwa nahm an, dass eine germanische Gottheit "Ostara" zugrundeliegt, die Göttin des Frühlings. Wird heute kaum mehr vertreten. Dagegen wird nun ein entfernter Zusammenhang mit dem kirchenlat. Albae paschales = Festtage für die (einst häufig zu Ostern) Neugetauften hergestellt. Die Wörter für Ostern in allen romanischen Sprachen (und auch im Niederländischen) stammen auch von paschales. Und albae = weiß meint die weißen Gewänder der Täuflinge.
Bliebe noch zu sagen, dass Ostern (wie auch Weihnachten und Pfingsten) ein Mehrzahl-Wort ist - daher heißt es "Frohe Ostern".

    

The Awful German Language

 

Mark Twain hatte recht, das Deutsche ist oft umständlich und schwer zu erlernen. Was er jedoch nicht wahrhaben wollte: Auch das Englische ist auf seine Art umständlich, die  Orthographie ist ein Anachronismus.

Die Rechtschreibung des Deutschen gibt weniger Rätsel auf, denn es ist eine lautgetreue Sprache, die Buchstaben werden im Allgemeinen in jeder lautlichen Konstellation gleich ausgesprochen.

    

Etymologie von "Rosenmontag"

 

Der Höhepunkt des rheinischen Karnevals hat, da ist man sich gewiss, nichts mit Rosen zu tun. Nach allgemeiner Auffassung kommt das Wort von rasen, sprich von der Raserei der karnevalstrunkenen Jecken. Entlang des Rheins kann schließlich das a von rasender (Montag) leicht wie ein o klingen.

 

In Memoriam Friedrich Dürrenmatt

 

Vielleicht ist der eine oder andere angesichts von "Der Besuch der alten Dame" mal mit dem Zeigefinger über den Autoatlas gefahren, ob es die Kleinstadt Güllen vielleicht doch gebe, irgendwo zwischen Kaffigen und Kalberstadt. Nicht fiktiv, sondern allgegenwärtig ist und bleibt freilich das System Güllen, jene Melange aus Käuflichkeit, Opportunismus und Gier, die Dürrenmatt so treffend und humorvoll in Szene setzt - ein Stück, das trotz seiner 65 Jahre nichts an Aktualität verloren hat.
Vor nunmehr 100 Jahren am 5. Januar 1921 wurde Friedrich Dürrenmatt geboren, nicht in Konolfingen, wie es oft heißt, sondern noch in Stalden, wo sein Vater protestantischer Pastor war. Konolfingen entstand erst später durch die Zusammenlegung Staldens mit einem anderen Dorf.

     

Nun seid ihr wohl gerochen an eurer Feinde Schar?

 

Bachs Weihnachts-Oratorium gibt uns am Ende, im Schlusschoral des letzten Teils, ein Rätsel mit auf den Heimweg. Warum "gerochen"? Wer kann da wen wohl (oder nicht wohl) riechen?

Erst wer die Präposition "an" in den Blick nimmt, kann sich die Bedeutung erschließen. Gemeint ist "gerächt". Das Verb rächen würde früher stark gebeugt.

 

Leise rieselt der Schnee ...?

 

Dieser Tage fällt zu Weihnachten Regen, und kein See ruht mehr still und starr. Wird der Klimawandel dafür sorgen, dass die alten Weihnachtslieder "obsolet" werden oder schon bald umgeschrieben werden?

Nein. Sehnsucht hat uns seit jeher zu Liedern und Versen inspiriert, gerade vor und zu Weihnachten. Sie werden nicht obsolet, wie auch die Weihnachtsbotschaft zeitlos ist und bleibt.

 

Weihnachten

 

Die Etymologie des Wortes "Weihnachten" ist unstreitig, es geht zurück auf mhd. ze den wihen nahten und ist grammatikalisch ein Dativ Plural. Auch Weihnachten selbst ist ein Pluralwort, deshalb heißt es "Frohe Weihnachten". Plural sind übrigens auch Ostern und Pfingsten.

In der Umgangssprache wird das Wort aber häufig wie ein Substantiv in der Einzahl und mit neutralem Genus verwendet.

 

Advent

 

Heuer scheint es inopportun, auf die Etymologie von "Advent" hinzuweisen. Dieses Wort kommt von lat. "advenire" = ankommen. Eine Ankunft steht uns bald ins Haus, doch wir müssen warten.

Indes warten wir dieser Tage bereits auf arg viel. Auf das Ende von Corona, der Ver- und Gebote, der Beschränkungen. Auf einen Impfstoff. Kein Punsch, kein Glühwein auf den Weihnachtsmärkten verkürzt und versüßt uns das Warten.

Darin liegt aber auch unsere Chance - statt langem Vorglühen intensivere Weihnachten. Nutzen wir sie.

  

Pour aller à la gare ...?

 

Stellt man nach zwei VHS-Semestern Französisch in unserem Nachbarland diese Frage, muss man mit einer langen Antwort rechnen, von der man womöglich lediglich das Wort "gare" = Bahnhof versteht.

Vielleicht resultiert die idiomatische Wendung Ich verstehe nur Bahnhof aus eben dieser frustrierenden Erfahrung.

 

Prokrastinierst Du auch?

 

Das Wort "prokrastinieren" scheint sich das gute alte Latein exklusiv für Autorinnen und Autoren aufgespart zu haben. Nirgendwo sonst wird so viel prokrastiniert.

Stammt ab von dem Verb procrastinare = verschieben, vertagen. Vollends klar wird das Wort, sobald man weiß, dass lat. cras = morgen ist: Was Du heute kannst besorgen, das verschiebe doch auf morgen.

 

Vom Lesen

 

Ein heute fast vergessener Schriftsteller schrieb vor vielen Jahren: Manche Bücher sind zu Unrecht vergessen, keines ist zu Unrecht in Erinnerung geblieben.

Heute kann jedenfalls ich nicht einmal mehr jene Bücher lesen, die mit mir befreundete Autoren geschrieben haben. Zu schweigen von all den übrigen Büchern, die eine Lektüre ebenso verdient hätten. Ein Trost bleibt: Bücher sind geduldig, meist auch geduldiger als die Autoren, die sie geschrieben haben.

   

Fei

 

ist ein Wort, das nicht im Duden steht, und doch in Franken, Bayern, Württemberg und im Erzgebirge zu hören ist.

Es gibt auch kein exaktes hochsprachliches Synonym.

Es bedeutet etwa "damit du es auch weißt", dient also im Dialog immer der Bekräftigung einer Aussage oder der Verstärkung eines bestimmten Wortes.

 

Vom Herbst

 

Im Tschechischen heißt der November "listopad", der Monat des fallenden Laubs. Dahin ist es noch eine Weile. In den USA heißt die Jahreszeit "fall", die Blätter fallen also den ganzen Herbst über.

Auch dem deutschen Wort haftet etwas Unwirtliches an, man denkt an herbe Kühle und kürzer werdende Tage. Doch ehe die Blätter fallen, leuchten sie mit dem reifen Trauben an den Weinstöcken um die Wette.

Freuen wir uns also am Herbst, statt um den Sommer zu trauern.

 

Worms

 

Seit über 200 Jahren ist Worms kein Bistum mehr, was angesichts des Domes und der hohen kirchengeschichtlichen Bedeutung der Stadt erstaunlich ist. Vielleicht war Worms für Rom doch zu Luther-kontaminiert. Luther wiederum erhielt für sein "Ich kann nicht anders" 1521 auf dem berühmten Reichstag zu Worms ein für die Gründerzeit typisches Monumentaldenkmal, das heute leider von einer lärmenden Durchgangsstraße gesäumt wird.

Auch sonst mischen sich in Worms Alt und Neu, das Rathaus etwa ist ein typischer Bau der fünfziger Jahre.

  

Breite Sprachen, knappe Sprachen

 

Im internationalen Vergleich gehört das Deutsche zu den raumgreifenden Sprachen. Die Übersetzung eines deutschen Textes ins Englische hat etwa 10-15 % weniger Zeichen, in slawische Sprachen sogar 15-20 % weniger.

Das Englische ist abgeschliffener und kommt bei vergleichbarer Etymologie mit weniger Silben aus. Bei den slawischen Sprachen schlägt zu Buche, dass das Deutsche für einige Laute mehrere Buchstaben braucht, die slawischen Sprachen aber nur einen. Außerdem haben die slawischen Sprachen keine Artikelwörter. Und Bindewörter und Präpositionen mit nur einem Buchstaben.

Noch schlanker als sämtliche modernen Sprachen ist aber das Lateinische. Die Prägnanz seiner Grammatik (AcI, ablativus absolutus, außerdem ohne Artikelwörter und fast ohne Hilfsverben) macht es besonders knapp.  

 

Max Herrmann-Neiße (1886-1941)
 

In meinem Roman "Der falsche Karl Valentin" lasse ich den Autor und Theaterkritiker Max Herrmann-Neiße zu seinem Recht kommen. Gehört er doch zu den Weggefährten Karl Valentins außerhalb Münchens, mit dem dieser regelmäßig in brieflichem Kontakt stand. Herrmann-Neiße bewunderte Valentins Kunst und berichtete stets über Valentins und Karlstadts Berlin-Tourneen.

Mit bürgerlichem Namen Max Herrmann, hatte er früh den Namen seiner Geburtsstadt in Oberschlesien als Namenszusatz hinzugefügt. Nach der Machtergreifung Hitlers lebte er vor allem in London, wo er nie heimisch wurde. Ein sehr sensibler, vielseitig begabter Autor, der heute wie so viele leider vergessen ist.

   

Das Fichtelgebirge

 

Das Fichtelgebirge trennt; es ist Wetterscheide, Wasserscheide, Konfessionsscheide und Dialektscheide. Hinzu kommt die nahe Grenze zu Böhmen, das geologisch gesehen noch am Fichtelgebirge teilhat.

Wirtschaftlich hat es manche Breitseiten einstecken müssen, den Niedergang der Textil- und Porzellanindustrie. Einzigartig ist die Landschaft des wie ein Hufeisen gewundenen Gebirges, und wer gut zu Fuß ist, kann den Ursprung von vier großen Flüssen an einem Tag erwandern, die Quellen der Saale, der Eger, der Naab und des (Weißen) Mains. Es ist für mich in einer Autostunde zu erreichen, und es zieht mich oft dorthin. 

 

Halle an der Saale

 

Letztes Wochenende trafen sich meine Frau und ich mit einem alten Studienfreund, zu unserem alljährlichen gemeinsamen Wochenende. Dieses Mal haben wir Halle/Saale als Reiseziel gewählt.

Wer mit dem Zug nach Halle reist, sieht als erstes den Riebeckplatz, eine Art gefliestes Leporello unter einer vielspurigen Straßenschneise. Die Altstadt, von der DDR sträflich vernachlässigt, ist aber sehenswert, und es gibt sehenswerte Jugendstilbauten. Die Uni gehört zu den ältesten Deutschlands, und zwischen Universitätsplatz und Moritzburg geht es studentisch urban zu.

   

Hypersensibilität

 

Wer intensiver empfindet, rezipiert und reflektiert als andere, nimmt auch einiges wahr, was anderen entgeht.

Es ist aber nicht nur Segen, sondern auch Fluch. Ich bin hochgradig hypersensibel. Nach wichtigen Telefonaten etwa, die mir ganz besonders schwer fallen, laufe ich minutenlang in der Wohnung auf und ab. Hinzu kommt, dass sich diese Unruhe meist auch somatisch auswirkt.

Umgekehrt aber sind und bleiben Sensibilität und Empathie Begabungen, die bei vielen Menschen unterentwickelt sind.

 

Derschnaufen

 

Das Präfix der ist im Bayrischen (und Fränkischen) allgegenwärtig. Zuweilen tritt es an die Stelle von ver und zer - es hat aber auch eine eigenständige Bedeutung und zeigt den (oft mühevollen) Vollzug einer Handlung an.

Häufig tritt es in der Negation auf. Das ist nicht zum Deressen = das ist so viel, dass man es unmöglich essen kann. Für den Asthmatiker Karl Valentin ist es eher nicht mehr zum Derschnaufen.

  

Ein Kreuz war's mit aller Gesundheit

 

Karl Valentins Sorge um seine Gesundheit beflügelte immer wieder seine Phantasie. Zu seinen skurrilsten Erfindungen dieser Gattung gehört sein Winterzahnstocher, der zum Schutz vor Unterkühlungen des Mund- und Rachenraumes mit Fell umwickelt war.

Davon (und noch von viel mehr) erzählt uns das "Valentin-Karlstadt-Musäum" (sic!) im Münchner Isartor.

 

In der Ruhe liegt die Kraft

 

Ich bin ein so sensibler, reflektierender, mitfühlender Mensch, der tief fühlt und gründet und ständig über irgendetwas nachdenkt. Das Resultat meiner Veranlagung und meiner Biographie. Es prägt auch meine Texte, meinen Umgang mit dem Anderen - und mit mir selbst.

Mit zunehmendem Alter mildern sich die Amplituden ab. Doch weil man Leib und Seele nicht einfach abschrauben und durch einen jungen, fitteren Organismus ersetzen kann, brauche ich Tage völliger Ruhe.

  

Rechts der Isar - die Au

 

Als Karl Valentin geboren wurde, war die Au bereits nach München eingemeindet, ohne wirklich München zu sein - jedenfalls nicht derer, die etwas auf sich hielten. Geprägt von ärmlichen Herbergshäusern, gehörte die Au vor allem den Arbeitern, Handwerkern und Kleingewerbetreibenden. Lang, lang ist's her.

Valentins Geburtshaus ist im Kern erhalten; es liegt in der heutigen Zeppelinstraße. Von dort aus ist es nicht weit zum Mariahilfplatz, dem Herz und Hirn der Au; im Sommer der Schauplatz der Auer Dult.

Ein Anachronismus von Volksfest. Wer auf der Dult ist, schaut sich unwillkürlich um, ob nicht Karl Valentins Hut voraus um die Buden spitzt.

 

Liesl Karlstadt

 

Liesl Karlstadt - mit bürgerlichem Namen Elisabeth Wellano - wurde 1892 in München-Schwabing geboren, anders als Karl Valentin in bittere Armut. Liesls Vater arbeitete als Bäckergehilfe, ihre Mutter war Tagelöhnerin. So musste Liesl Verantwortung tragen und für ihre überlebenden Geschwister sorgen. Zum Theater fand sie allerdings schon, bevor sie Karl Valentin kennenlernte.

Liesls Bedeutung für Valentins Kunst wird noch heute unterschätzt. In meinem Roman wird auch sie zu ihrem Recht kommen.

 

Karl Valentin

 

Karl Valentin kam am 4. Juni (am selben Kalendertag wie ich) 1882 in der Münchner Au rechts der Isar zur Welt. Sein Vater betrieb dort (das Wohnhaus ist im Kern erhalten) in der Entenbachstraße (heute Zeppelinstraße) eine Möbelspedition.

Interessant ist, dass beide Eltern "Zugereiste" waren; der Vater stammte aus Hessen, die Mutter aus Sachsen. Trotzdem war Karl Valentin ein Münchner mit Leib und Seele, und er war kein Kind von Traurigkeit. Viele seiner teils derben Jugendstreiche sind in seinen autobiographischen Schriften überliefert.

 

Nord und Süd

 

Die deutsche Sprache ist reich an Wörtern, die ihre Herkunft erkennen lassen, ohne aber Dialekt zu sein. Doch gibt es durch die Mobilität der Moderne auch hier Verschiebungen. So macht sich etwa der süddeutsche "Samstag" auf Kosten von "Sonnabend" zunehmend in Norddeutschland breit. Umgekehrt ist jetzt das niederdeutsche "gucken" auch südlich des Mains in aller Munde.

  

Eins ist sicher, das "Sicher"

 

Wollte man das Seelenleben der Deutschen an Hand ausgewählter Wörter der deutschen Sprache darstellen, käme für mich das Wort sicher an vorderer Stelle. Wie wichtig dieses Wort uns Deutschen ist, zeigt sich bereits an einem Wörterbuch Deutsch-Englisch (oder Deutsch-Französisch). Wie viele verschiedene Wörter braucht es in Fremdsprachen, um alle Bedeutungen dieses Wortes im Deutschen zu erfassen!

Und was sichern wir uns nicht alles: Die Daten auf dem PC, klar, aber auch die billigsten Steaks bei Aldi oder die Online-Aktion ohne Versandkosten. Man hat sich sein Klopapier gesichert, die Rente ist natürlich auch sicher, und so führen wir sicher und sichern so oft im Mund, dass wir alle über(ver)sichert sind. Auch das ist für mich ein typisch deutsches Wort.

   

Autoren-Fieber

 

Soeben hat sich das Manuskript meines Roman-Erstlings auf den Weg zur Druckerei des Gmeiner-Verlags gemacht. Monate konzentrierter Arbeit liegen hinter mir; sie haben an meinen Kräften gezehrt. Desto größer jetzt die Freude.

Bald werde ich hier auf meiner Homepage das Cover des Romans vorstellen können; bis dahin noch etwas Geduld.

 

Friedrich Hölderlin

 

Die "Hälfte des Lebens" verbrachte Friedrich Hölderlin weggesperrt - vor sich selbst und der Öffentlichkeit. Wer das weiß und bedenkt, der liest und rezitiert dieses Gedicht, das von Deutschlehrern oft zur Interpretation gestellt wird, mit völlig anderen Augen.

Wie wir heute mit ihm (und seiner Erkrankung) umgegangen wären? Ganz gewiss hätten wir ihn nicht in den Tübinger Hölderlinturm gesteckt, von wo er seinen geliebten Neckar zwar sehen, aber nicht an ihm spazieren gehen konnte.

 

Der Ellbogen

 

Lange rangierte der Ellbogen in der Rangliste unserer Körperteile weit hinten. Jetzt zeigt er sich uns, und dies in aller Ambivalenz:
Wir husten und niesen in den linken, bieten anderen den rechten zur Begrüßung anstatt der rechten Hand. Und im Supermarkt fahren wir beide Ellbogen aus, um uns Klorollen zu erkämpfen.

 

Ei der Daus

 

Die heute kaum noch gebräuchliche Wendung knüpft an das alte deutsche Wort "Daus" an, das vermutlich von lat. "dusius" = Dämon kommt. Es diente früher, als die Macht der Kirche noch ungebrochen war, zur euphemistischen Umschreibung von "Teufel", sprich um diesen nicht im Munde führen zu müssen.

 

Vom richtigen "Du"

 

Ich schreibe die Anrede "Du" auch heute noch groß, nicht nur im Brief, sondern auch auf Facebook und WhatsApp. Mag der Herr Duden mir vorschreiben, was er will.

Für mich ist das keine Frage richtiger (oder falscher) Schreibung, sondern stets Ausfluss der Höflichkeit, sprich ein Zeichen des Respekts und der Wertschätzung dem Adressaten gegenüber.

 

Deutschland, deine Partikeln

 

Die Fahndung nach Füllwörtern gehört zum Autorenleben wie das tägliche Brot. Das hat auch mit der DNA des Deutschen zu tun. In unserer Sprache spielen viele Adverbien und Partikeln eine größere Rolle als in anderen Sprachen. So besitzt etwa das Deutsche keine Verlaufsform, so dass die Gegenwärtigkeit einer Handlung mit Adverbien wie eben oder gerade ausgedrückt wird.

Schmiegen sich noch die (fürs Deutsche so typischen) Abtönungspartikeln wie halt, arg, so oder recht mit an, dann wird es fei langsam des Guten viel zu viel. Zudem schwächen diese Wörter die Aussage ab.

 

Autor Analog

 

EDV-Tools fürs Recherchieren, Sammeln und Plotten gibt es reichlich - manches davon, zum Beispiel One Note, habe ich ausprobiert, aber ich bin nie damit warm geworden. Ich plane, sammle, skizziere, plotte analog; ich brauche meine Bücherstapel um mich herum und meine Zettelwirtschaft. Auch mein Kalender ist aus Papier.

Das liegt auch daran, dass ich erst spät einen eigenen PC hatte und mit manchem immer noch Berührungsängste habe.

 

Hertz mit Herz

 

Die Wendung gut gestimmt sein zeigt uns, wie wichtig die Stimme für die Ausstrahlung eines Menschen ist.

Gestern durfte ich in Stuttgart an einem vom Gmeiner-Verlag ausgerichteten Seminar zu Atmung und Stimme teilnehmen. Trotz meiner eher hohen Tenorlage klingt auch meine Stimme gut, bedarf aber, wie bei jedem anderen auch, des Trainings. Mit Geschick und Einfühlungsvermögen ging die Dozentin Ulrike Semmelrock auf alle Teilnehmer(innen) ein; erstmals konnte ich in einem solchen Seminar auch am Mikrophon trainieren. Dazu erhielten wir eine CD mit Übungen.

So gilt Frau Semmelrock und dem Gmeiner-Verlag mein ausdrücklicher Dank für dieses instruktive Seminar.

 

Lob des Lektors

 

Gestern erhielt ich vom Gmeiner-Verlag das Erstlektorat meines Karl-Valentin-Romans. Meine Lektorin hat es sehr gewissenhaft und gründlich lektoriert. Ihr gilt ein dickes Lob, denn ich, der ich für befreundete Autoren auch schon lektoriert habe, weiß nur allzu gut, wie viel Erfahrung, Konzentration, Fingerspitzengefühl sowie Fachwissen diese überaus anstrengende Tätigkeit erfordert. Und das tagaus, tagein.

 

Thüringen

 

Es ist gar bedrückend, wozu parteipolitische Effekthascherei, sträflicher Unverstand und Geschichtsvergessenheit und abgedriftete Verantwortungslosigkeit in Thüringen geführt haben; in jenem Land, das mal ein Land großer Männer und Frauen war und geografisch Deutschlands Mitte ist.

Bleibt zu hoffen, dass der Verstand sich jetzt endlich Bahn bricht; noch ist es dafür nicht zu spät.

 

Kunst

 

"Kunst kommt von Können", sagen wir gern und eher süffisant. Etymologisch ist freilich diese Ableitung objektiv zutreffend. Ursprünglich meinte Kunst, was auf menschlichem Können beruht, was nicht von sich aus wächst und gedeiht, sprich künstlich ist. Noch bei Goethe galt Kunst als Gegenbegriff zu Natur. Die heutige Bedeutung entwickelte sich im 18. Jahrhundert.

Dass Kunst von Können kommt, erkennt man auch in "Das ist keine Kunst" = das ist gar nicht schwierig.

 

Franken humorvoll (2): Neustadt an der Aisch

 

Läuft man in Neustadt vom Nürnberger Tor aus den Äußeren Stadtmauerweg hinunter, wird man von einer Ziegenbock-Skulptur auf der Stadtmauer überrascht.

Der Bock steht da nicht von ungefähr. Als Neustadt im 15. Jahrhundert von bayerischen Truppen belagert wurde, ließ sich (der Sage nach) ein listiger Schneider in das Fell einer  geschlachteten Ziege nähen und posierte sodann auf der Stadtmauer, um den Feind über die Vorräte zu täuschen. Die Belagerer dachten nun, die Stadt habe noch so viel zu essen, dass die Belagerung keinen Sinn ergebe. Tatsächlich war es die letzte Ziege in der Stadt gewesen.

 

Franken humorvoll (1): Bayreuth

 

Deutschlands größte und prunkvollste Güter-Abfertigung steht zweifellos in Bayreuth, in Hügellage.

Über den lagebedingt verbaselten Gleisanschluss (die von Bayreuth ausgehenden Geleise enden ohnehin in Neuenmarkt-Wirsberg, Kirchenlaibach und Schnabelwaid) tröstet uns die zugegebenermaßen herausragende Akustik hinweg.

 

Ein Blick zurück

 

2019 war für mich ein erfolgreiches Jahr. Ein erster Roman hat einen Verlag; er wird im kommenden Herbst bei Gmeiner herauskommen. Im Wellhöfer-Verlag, Mannheim, sind zudem zwei weitere Kurzgeschichten und -krimis erschienen. Ferner waren meine ersten Workshops "Strafrecht für Autoren" recht erfolgreich, das Feedback war sehr positiv; es bahnen sich für 2020 weitere Engagements an.

Anderes ist dagegen zu vage, als dass es hier berichtet werden könnte. Desto aufregender wird das neue Jahr. Ich freue mich schon darauf.

 

Plätzchen

 

Die Plätzchen, die jetzt wieder in aller Munde sind, stammen sprachgeschichtlich ab von Platz. Plätzchen ist folglich (erkennbar an der Nachsilbe -chen) ein Deminuitiv, also eine Verkleinerungs-Form.

Denn Platz hat nicht lediglich die Bedeutung "von Häusern umschlossener freier Raum in Dorf und Stadt". Das Wort bedeutete vormals auch "flacher Kuchen, Fladen", das etwa als "Zwiebelplootz" und "Kerscheplotzer" heute noch durch diverse süddeutsche Dialekte und Rezeptbücher geistert.

  

Advent

 

Der Advent, den wir in den Tagen vor Weihnachten begehen, stammt von lat. advenire = ankommen. Er weist mithin voraus auf das Weihnachtsfest, auf die Ankunft Christi auf Erden.

Der Gebrauch des Wortes ist im Schwinden; häufig werden Advent und Adventszeit von Weihnachten und Weihnachtszeit eingemeindet, zumal im allgemeinen Sprachgebrauch jenseits von Kirche und Liturgie. Weiter lebendig ist es allerdings zur Bezeichnung von Gegenständen, deren Verwendung explizit auf die Tage vor Weihnachten beschränkt ist, wie zum Beispiel Adventskalender und Adventskranz.

   

Kalfaktor

 

Früher ein Synonym für "Hausmeister", wird Kalfaktor/Kalfakter heute fast nur noch in herabwürdigender Weise und mit der Bedeutung "Liebesdiener, Helfershelfer" benutzt. Das Wort stammt von lat. cali(dum) facere = heizen, erwärmen. Gemeint waren Schüler oder Studenten, die in den Räumen von Schule oder Universität vor dem Unterricht die Öfen schürten.
Die negative Konnotation des Begriffs dürfte auch damit zusammenhängen, dass es stets die unbeliebten Streber waren, die sich für diesen Dienst meldeten.

 

Der Name Meyer

 

Der Name Meyer ist, in vielen unterschiedlichen Schreibweisen, im gesamten deutschen Sprachraum verbreitet. Er geht zurück auf das lateinische maior (domus), was "der (vom Eigentümer eingesetzte) Verwalter eines Landgutes" bedeutet. Zum Teil ist "Landgut" zu "milchverarbeitender Betrieb" verengt worden, daher das heute nur noch selten benutzte Wort Meierei = Molkerei.

Die jeweilige Schreibweise lässt auch Schlüsse auf die Konfession des Namensträgers zu: Maier/Mayer sind überwiegend Katholiken, Meyer zumeist evangelisch.

   

Die Pfistermühle in Wissembourg/Elsass

 

Pars pro toto für die bewegte (und oft unheilvolle) deutsch-französische Geschichte steht die heutige Grenzstadt Wissembourg, die seit dem Dreißigjährigen Krieg beinahe immer zwischen die Fronten geriet.

Desto mehr ist zu rühmen, dass der Verleger (und mein lieber Freund) Ulrich Wellhöfer die bis auf das 9. Jahrhundert zurückreichende Pfistermühle in Wissembourg erworben und zu einem Ort gelebter Völkerverständigung gemacht hat - mit Lesungen, Konzerten und nicht zuletzt mit Autoren-Seminaren.

 

Die Abtei Waldsassen

 

Herz und Hirn des Stiftlands, ja der gesamten nördlichen Oberpfalz, ist zweifelsohne das Zisterzienserkloster Waldsassen, das im Laufe der Geschichte zweimal wiedergegründet wurde - nach der Reformation und nach der Säkularisation. So kam es denn auch zu der für eine Zisterzienser-Abtei eher ungewöhnlichen hochbarocken Stiftsbasilika, die schon oft für Aufnahmen bedeutender Orchester gedient hat. Nicht minder bedeutsam ist die herrliche Bibliothek. Ein modernes Tagungszentrum mit Gästehaus und Restaurant lädt zum Verweilen ein.

Weniger schön und für Waldsassen verheerend ist allerdings der Durchgangsverkehr ins nahe gelegene Tschechien.

 

Buchmessen-Blues

 

Systematisch schwer zu erfassen, daher (noch) ohne medizinischen Fachbegriff. Zustand des Geflasht-Seins, infolge Reizüberflutung, Restalkohol und -adrenalin sowie toxischer Dehydrierung. Kann einhergehen mit oszillierender Über-Motivation und/oder nervöser medialer Über-Präsenz. Oft auch mit Ennui und Gereiztheit. In harmlosen Fällen freilich nur schwere Beine und Müdigkeit.

 

Buchmessen-Fieber

 

Was kennzeichnet eine Buchmesse? Koffein-Überschuss und Dehydrierung? Ameisen im Bauch und Lampenfieber? Fingerfood und Müsliriegel? Auch. Vor allem aber sind es bei mir Freude und Dankbarkeit. Darüber, dass ich jetzt auch dazu gehöre - und nicht mehr wie früher nur Zaungast bin.

In diesem Sinne - Euch allen von Herzen frohe und erfüllte Messetage, voller Inspiration und ohne Blues hernach. Und fangt Euch keinen Infekt!
   

FINIS

 

Als guter Humanist ziehe ich das lateinische Nomen dem deutschen ENDE vor.  Soeben schrieb ich es unter ein Manuskript - unter einen Stoff, mit dem ich mich fast ein ganzes Jahrzehnt beschäftigt habe.

Viele Autorinnen und Autoren haben Trennungsschmerzen, wenn sie dieses Wort unter ein Manuskript setzen. Zu sehr, so heißt es dazu oft, hätten sie mit ihren Figuren gefühlt und gelitten, als dass sie sich nun von ihnen verabschieden könnten.

Diesen Schmerz kenne ich nicht. Bei mir dominiert stets die Erleichterung, abermals alle Anfechtungen und Zweifel in mir überwunden zu haben.

 

Grammatik der Vierbeiner

 

Schon Mark Twain hat über die drei Genera der deutschen Sprache gelästert, und die ist ja auch etwas verworren, auch bei Hund, Katze, Maus.

Bei den Haus- und Nutztieren überwiegt der sächliche Oberbegriff samt männlichen und weiblichen Spezifika, etwa Ross und Pferd (Hengst/Stute), Rind (Stier, Ochse/Kuh) und Schwein (Eber/Sau). Doch ist der Hund männlich und die Katze weiblich, obwohl beide als Oberbegriffe gelten, weswegen man sich mit Hündin (neben Rüde) und der spröden "Kätzin" (neben Kater) behilft.

Völlig unsystematisch wird es bei den wilden Tieren. So leuchtet einem ja noch ein, dass die Gazelle weiblich ist; wieso jedoch das Rhinozeros sächlich und der Elefant männlich ist, harrt bis heute der philologischen Exegese.

 

Oberschwaben

 

Dieser Tage machten wir Urlaub in Bad Saulgau, das geographisch ziemlich im Zentrum Oberschwabens liegt. Eine Region, die, obschon fast durchweg katholisch, bis Napoleon der typische deutsche Spreuhaufen war.

Einige Städte, auch (damals noch) Saulgau, gehörten bis 1800 zu Österreich; es gab viele reichsunmittelbare Klöster, etwa Ochsenhausen, sowie einige Reichsstädte, die zum Teil protestantisch, teils auch paritätisch waren. So ist die Stadtkirche von Biberach bis heute eine Simultan-Kirche, welche von beiden Konfessionen gleichermaßen benutzt wird. Im Biberacher Museum sind zwei alte Eimer ausgestellt - einer gehörte den Katholiken, der andere den Protestanten. Auch bei der schwäbischen Kehrwoche hielt man also Abstand zueinander.

      

Urlaub

 

Das Wort, derzeit in vieler Munde, ist mit dem Verb erlauben verwandt. Während dieses aber seine ursprüngliche allgemeine Bedeutung gutheißen beibehalten hat, verengte sich Urlaub (ursprünglich: eine allgemeine Erlaubnis, sich für eine gewisse Zeit zu entfernen) auf die Bedeutung zeitweilige Freistellung von der Arbeit.

Im 19. Jahrhundert kam das Wort Urlauber auf, meinte aber zunächst den Soldaten im Urlaub; zu Beginn des 20. Jahrhunderts schließlich, mit der Normierung eines gesetzlich geregelten, bezahlten Urlaubs, auch den Jedermann.

  

Konrad Celtis

 

Ich habe mein Abitur am Humanistischen Gymnasium in Schweinfurt gemacht, das seit den sechziger Jahren nach Konrad Celtis benannt ist. Celtis, mit bürgerlichem Namen Bickel oder Pickel, war ein großer Humanist und Dichter, der zwischen 1480 und 1508 ein Gelehrtenwanderleben durch Mitteleuropa führte.
Desto mehr freut mich, dass bald eine Geschichte über ihn aus meiner Feder erscheinen wird, und zwar in einer Anthologie des Wellhöfer-Verlags. Rund um einen Lorbeerkranz, welcher mit Blattgold verziert ist. Denn Celtis wurde 1487 von Kaiser Friedrich III. in Nürnberg zum Poeta Laureatus ernannt.

    

Annaberg-Buchholz

 

Dieser Tage weilten meine Frau und ich im schönen Erzgebirge. Unter den Städten dort ragt Annaberg-Buchholz heraus, das durch den um 1500 einsetzenden Bergbau rasch zu einem der größten Orte Sachsens heranwuchs.
Herausragende Sehenswürdigkeit der Stadt ist indes die Annenkirche, eine großartige spätgotische Hallenkirche. Ist es zu fassen, dass sie fast über einem der die ganze Stadt durchziehenden Stollen gegründet ist und trotzdem ohne jeden Schaden (auch nicht im 2. Weltkrieg) überdauert hat?
Bleibt Buchholz, das als Anhängsel oft vergessen wird. Dabei ist Buchholz gleich alt und rivalisierte mit Annaberg, denn Annaberg gehörte den albertinischen, Buchholz aber den ernestinischen Wettinern.
 
  

Ars Legendi

 

Kunst des Lesens? Sehr wohl. Oft fehlt es schon an der Zeit, zumal dann, wenn ich in die eigenen Manuskripte verkrallt bin.
Doch ist Zeit für meine Ars Legendi bloß eine notwendige, aber noch keine hinreichende Bedingung. Wichtiger erscheint es mir, mich auf jedes Buch einzulassen, und zum Buch gehört der Autor. Inzwischen lese ich am liebsten Bücher, deren Autoren ich persönlich kenne. Man liest und fühlt dann weit intensiver.

 

Vom Juristendeutsch

Viele schon haben mir bescheinigt, ich schriebe wie ein Richter. Ich befürchte, sie haben recht. Sollte es wirklich zutreffen, bin ich zumindest kein Paragraphen-Tiger ohne jeden Witz und Humor.
Juristisch bedingt ist sicherlich meine Neigung zur Verknappung, denn ein plappernder Richter drangsaliert entweder seine Tastatur oder seine Geschäftsstelle. Juristen sind es gewöhnt, zwischen den Zeilen zu lesen; wäre es anders, kämen nicht auf sieben Juristen zwölf verschiedene Meinungen. Wobei die eigene stets als h. M. (herrschende Meinung) bezeichnet wird, alle anderen jedoch als abw. A. - was, je nach Lesart, abweichende oder abwegige Auffassung bedeutet.

 

Sigmund Freud und Arthur Schnitzler

 

Beide waren Ärzte. Noch verhängnisvoller: Arthur Schnitzler war auch Sohn, Bruder und Schwager von Ärzten: ein Sohn des berühmten Laryngologen Johann Schnitzler, Bruder des Chirurgen Julius Schnitzler, der mit Freud eng vertraut war und ihn regelmäßig zum Karteln besuchte. Aber eben auch Schwager des Wiener Hals-Nasen-Ohren-Spezialisten Marcus Hajek, der Freud 1923 erfolglos und zudem nachlässig operierte, just an jenem Gaumen-Krebs, an dem Freud sterben sollte.

So mied Freud den, wie er sich ausdrückte, Doppelgänger nach Kräften. Vermutlich war er auch ein wenig neidisch auf Schnitzlers literarische Erfolge.

  

Wunder der Intuition

 

Ich bin kein Bauchschreiber, sondern plane alle meine Romane akribisch. Möglichst am Anfang gleich mein Exposé, um mir Klarheit über Stoff und Konflikte zu verschaffen. Ich schreibe auch ein Szenarium, wie ein Drehbuch beim Film. Erst danach beginne ich mit der Niederschrift.
Zuweilen wollen die Figuren dann eigensinnig woanders hin. Dennoch fügt es sich meist, muss ich nicht völlig neu szenen oder gar ganz von vorn anfangen. Als hätte ich es schon geahnt und mit hinein geplottet.

 

Ein Dorf, zwei Kirchen

 

Zieht man den Rimbachgrund im Steigerwald hinauf, kommen bald zwei Kirchen in den Blick, eine kleine, auf einer Anhöhe stehende gotische Kirche. Dazu, zweihundert Meter entfernt, eine auffällig große Kirche, gut hundert Jahre alt.

Die alte Kirche diente dem Würzburger Künstler Schiestl als Vorlage für seine Bildkarte "Kirchlein in Franken" und wird deswegen auch heute noch die Schiestl-Kirche genannt. Die neue Kirche ist ein für die Zeit um 1900 typischer Bau, Neoromanik und Neugotik, dazu eine Prise Jugendstil.
Bei dieser Kirche sind Glocken und Glockenturm schadhaft, weswegen ich dieser Tage eine Benefiz-Lesung zugunsten der Kirche gab
.

  

Verschwunden, und doch nicht ganz

 

Sprache lebt. Wörter und Beugungsformen veralten, sind schließlich verschwunden, und sind es doch nicht ganz. Bisweilen bleibt von solchen Wörtern eine bestimmte Wendung erhalten.

So erinnert das Substantiv Gepflogenheiten daran, dass pflegen früher stark flektierte (pflegen, pflog, gepflogen). Erkoren stammt von dem nicht mehr verwendeten Verbum erkiesen. Und das zumeist als Adverb gebrauchte beflissen geht, genau wie geflissentlich, auf das untergegangene Wort sich befleißen zurück.

   

Vom Innehalten

 

Auch Ruhe gehört zum Schreiben. Tage der Entspannung. Ich bin sensibel, fühle oft sehr intensiv, unter Kollegen, auf Reisen. Ich kann nicht immer Vollgas geben, weil sonst vor Überreizung und Anstrengung nichts mehr geht. Zumal der schnöde Alltag mit meinem Autorenleben in Einklang zu bringen ist.

Dennoch versuche ich, täglich zumindest einige Zeilen zu schreiben. Meist geht es ganz unverhofft, schreibe ich mich in einen Flow. Oder komme jedenfalls so weit, dass ich am nächsten Tag daran anknüpfen kann.

 

Aachen

 

Am Anfang war nicht Karl der Große. Die Römer entdeckten die Heilquellen dieses Ortes und siedelten sich an.
Doch erst Karl machte Aachen groß, baute an der Pfalz und am Dom, der er freilich lange nicht war, bloß eine Marien-Kirche. Endgültig zum Bistum wurde Aachen erst vor knapp hundert Jahren.
Unweit von Aachen stößt Deutschland an Belgien und die Niederlande; auch Luxemburg und Frankreich sind nahe. Der rechte Ort zur Einkehr, zur Erinnerung an Karls Erbe, die Keimzelle Europas.

  

Auf Reisen

 

Ich reise ohne Laptop, denn auf Reisen schreibe ich nicht; plane, skizziere allenfalls. Ich könnte es nicht, weil ich die Sicherheit meines Schreibtischs benötige.

Auf Reisen empfinde ich intensiver. Spüre und lerne, sende und empfange. Oft mehr, als es meinem (auf Kante genähten) Innersten bekommt. Aber in der Gewissheit, dass jeder großartige (oder entsetzliche) Mensch, dem ich begegne, jeder Ort, den ich erkunde, zum Keim von Geschichte(n) wird.

 

Rechtskunde für Autoren

 

Ein bewegender Moment: Am vergangenen Samstag trat ich mit einem Schönfelder auf, der Bibel der Juristen. Zum ersten Male seit meinem krankheitsbedingten Ausscheiden aus dem richterlichen Dienst.
Mein großer Dank geht an meine liebe Kollegin Ursula Schmid-Spreer, die das Seminar für mich organisiert und hierdurch Hemmschwellen in mir abgebaut hat. Ich erarbeitete mit fünf Teilnehmern die Lösung eines sehr verwickelten Strafrechtsfalles und gab einen Überblick über Ablauf und Zuständigkeiten im deutschen Strafprozess.

Das sehr positive Feedback hat mich sehr gefreut und bestärkt, und es sieht bereits nach einer baldigen Wiederholung aus. Es wäre ein Schlusspunkt schmerzhafter Häutung und ein Friedensschluss mit meiner Biographie.

 

Leipzig

 

Von der führenden Verlags- und Druckereistadt Leipzig ist leider nicht mehr viel übrig, doch die Messe hat Bestand. Ich möchte sie nicht missen. Schon deswegen, weil dort die Freude am Buch, die Autoren und Leser im Vordergrund stehen, und nicht das Geschäft und das Geld (siehe Frankfurt).
Allen Kolleginnen und Kollegen, Freundinnen und Freunden also eine inspirierende und erfolgreiche Messe und, so es irgend möglich ist, ein Wiedersehen. Ich werde am Freitag in Leipzig sein.

   

Mysterium Donau

 

Die Donau umwölkt eine fast mystische Aura. Weil man sich nicht darüber einigen kann, wo sie anfängt - an der Bregquelle nahe Furtwangen oder erst beim Zusammenfluss von Breg und Brigach in Donaueschingen. Und weil die Donau, obschon sie umzingelt ist von Zuflüssen des Rheins, ihren eigenen Kopf hat, und den eisernen Willen, bis zum fernen Schwarzen Meer zu gelangen.
Dabei steht dies wie auf Messers Schneide. Nahe Immendingen verschwindet sie in einer Felsspalte, an der Abbruchkante zum Rhein, zieht aber dann doch noch den Kopf aus der Schlinge. An anderer Stelle jedoch hat sich der Rhein als der Stärkere erwiesen: So floss der Main lange zur Donau, bis er sich im Laufe der Erdgeschichte doch nach Westen und zum Rhein orientierte.

  

Die Schwäbsche Eisebahne

 

Wer denkt in Biberach, das ich vor wenigen Tagen bereiste, nicht auf Schritt und Tritt an die gute alte "Schwäbsche Eisebahne"? Nicht zu vergessen die weiteren "Halt-Statione" Mecklebeure = Meckenbeuren und Durlesbach, ein Bahnhof im Wald, in dem heute kein Zug mehr hält.

Historisch gesehen handelt es sich bei dieser Bahn um die Königlich-Württembergische Südbahn Stuttgart - Ulm - Friedrichshafen. Letztlich auch zur Anbindung des Bodensees unter Umgehung des Großherzogtums Baden.

 

Waldhessen

 

Zu Recherchezwecken war ich drei Tage am Edersee, der mir wie ein einsames Waldauge vorgekommen ist. Die Landschaft strahlt Ruhe aus, wirkt aber leicht melancholisch, und abseits der Touristenziele fehlt es an Arbeitsplätzen. Vergleichbar sind der Frankenwald, das Thüringer Schiefergebirge sowie das Vogtland in Sachsen, wo es auch mehrere große Talsperren gibt.
Auf einem Luginsland am Waldecker Schloss stehen Wegweiser, die uns die Entfernung zu Metropolen der Erde und auch zu Nord- und Südpol anzeigen.
So schließt sich hier mein Kreis. Auch ich bin stets "nur" in kleinen Orten aufgewachsen und brauche stets beides: Heimat und Weite.

   

De mortuis nihil nisi bonum?

 

Das schier überschwängliche virtuelle Grundrauschen um den Tod Karl Lagerfelds stößt mich langsam ab. Ich möchte seine Verdienste für die Mode und den guten Geschmack nicht schmälern. Was mich abstößt, ist sein ganzes Gewese, seine übersteigerte Eitelkeit, seine maliziösen Giftpfeile. Übergriffigkeiten also, derentwegen ihm sogar noch posthum just jene zu Füßen liegen, die sonst für Toleranz und Ab-Rüstung eintreten.

Nein, auch Karl Lagerfeld, der selbst ernannte Gottvater, wird erkennen müssen, dass er nicht unsterblich ist. Dass sich die Welt auch ohne ihn und mit anderen Karl Lagerfelds weiterdreht.

 

Brainstorming

 

Im Anfang war der Stift, und der Stift war beim Kästchenpapier. Kein Papyrus und kein Computer. Meine Versuche, mit One Note, Google Notizen oder dergleichen zu arbeiten, sind im Nirwana gestrandet.
Nein, um mir eine Geschichte, ihre Figuren und meinen Plot zu er-ärgern, halte ich mich von allem Technischen fern, weil Bleistifte keine Updates brauchen, und Kästchenpapier keinen Bluescreen haben. Ich bin zu zart besaitet, als dass ich mich im kreativen Prozess mit den Tücken der Technik rumärgern könnte. 

 

Konrad Celtis (1459-1508)

 

Heute habe ich eine Geschichte aus dem spätmittelalterlichen Nürnberg geplottet, in der der deutsche Humanist Konrad Celtis die Hauptrolle spielt. Er liegt mir deswegen so am Herzen, weil ich am Humanistischen Gymnasium in Schweinfurt, das heute den Namen dieses Gelehrten trägt, 1986 mein Abitur gemacht habe.
Celtis stammte aus einer Winzerfamilie des nahe Schweinfurt gelegenen Dorfes Wipfeld, sein bürgerlicher Name war Pickel (als Franke sicher eher Bickel); Celtis ist, wie auch bei anderen Gelehrten, der latinisierte Name. Nach seinem Vorbild Horaz schrieb er Oden und Epigramme in lateinischer Sprache und wirkte vor allem in Nürnberg, Ingolstadt und ab 1497 als Professor für Rhetorik und Poetik in Wien, wo er auch starb.

  

Auf ein Du, Ihr Lieben!

 

Es freut mich, dass die gemäß der klassischen Orthographie zwingende Großschreibung von Du und Ihr in Briefen, E-Mails und sogar auf Facebook auch heute noch praktiziert wird.
Für mich ist das nicht antiquiert, sondern gerade im Zeitalter virtueller Beschimpfungen und Übellaune ein Kontrapunkt, sprich ein gelebtes Zeichen gegenseitiger Empathie und Wertschätzung.

 

Zum Jahreswechsel

 

Rings um meine Geburtsstadt Schweinfurt wünscht man sich an Silvester einen "guten Beschluss". Eine Wendung, die mir gut gefällt.
Euch allen also einen guten Beschluss! Kommt alle gut und wohlbehalten ins neue Jahr. Für 2019 alles erdenklich Gute, Gesundheit und Glück und in allem, was Ihr tut, gutes Gelingen!

 

Stille Nacht, Heilige Nacht

 

Vor 200 Jahren wurde dies Lied in Oberndorf bei Salzburg uraufgeführt, und noch heute schießen die Mythen hierüber ins Kraut. Über den "Hilfs-Pfarrer" Joseph Mohr und den "Hilfs-Organisten" Franz Xaver Gruber, dem die Orgel an diesem eisigen Heiligen Abend ihren Dienst versagte, woraufhin er die Melodie mit klammen Fingern auf einer Klampfe erfand.
Die Beliebtheit des Liedes fußt auf seiner eingängigen, sehr sentimentalen Melodie, doch auch darauf, dass in dem an sich banalen Text der so klangvolle Vokal "a" dominiert, vor allem auf den betonten Taktteilen.

Bliebe noch zu sagen, dass dieses Lied ursprünglich sechs Strophen hatte. Auswahl und Reihenfolge der noch heute bekannten Verse bestimmten, wie so oft, nicht die Urheber, sondern ein geschäftstüchtiger Verleger.

      

Weichnachten

 

Nein, Sie haben sich nicht verlesen - Weichnachten. Dieser Vertipper ist mir inzwischen ans Herz gewachsen. Fragt sich nur, woran ich damals dachte, an die meist bockelharten Zimtsterne, Nussmakronen und Springerle? Oder an die in unserer Umwelt grassierende Hart-Herzigkeit?
Eben deswegen und in beiden Fällen: Frohe Weichnachten!

 

Mein Schreiben (2): Schreib-Zeiten

 

Sollte es tatsächlich zutreffen, dass Autoren nachts arbeiten, bin ich eine Ausnahme von der Regel. Ich mache bereits mit dem Abendessen Schluss damit, sonst käme ich nachts nicht zur Ruhe.
Ansonsten kann ich, da ich nicht mehr in einem Brotberuf bin, mir die Zeit einteilen. Die Erkrankung meiner Frau und meine kirchenmusikalischen Aktivitäten wollen aber stets mitbedacht sein. Meistens bleiben mir die Nachmittage zum Schreiben, unter der Woche vor allem Dienstag und 
Freitag, und natürlich das Wochenende.

   

Mein Schreiben (1): Schreib-Orte

 

Jeder Autor schreibt anders, und sie tun es auch an unterschiedlichen Orten. Computer und Internet haben den Vorgang des Schreibens vom Schreibtisch emanzipiert; wir sind am Strand und im Wald mit unseren Clouds verbunden.

Ich indes gehöre zu denen, und das sind auch heute noch viele, die sich unterwegs zwar Notizen machen, Texte skizzieren oder Plots brainstormen - hart am Manuskript jedoch ausschließlich am Schreibtisch arbeiten. Mir ist alles End-Gültige zu intim, es gehört für mich nicht in die Öffentlichkeit.

 

Karls Graben

 

Meine Reise zum Karlsgraben, von der ich gestern Abend zurückkehrte, diente nicht nur meinem Krimi-Projekt; sie war auch eine Konfrontation mit meiner Kindheit. Die Jahre vor meiner Einschulung lebte ich im benachbarten Pappenheim, und mein Vater stammt auch aus dieser Gegend.
Meine zwiespältige Erinnerung versinnbildlicht die von mir leider (oder wohlweislich) nicht fotografierte Marien-Kirche in Treuchtlingen, eine Trutzburg, erbaut 1933/34, die den Menschen nicht einlädt, sondern einschüchtert.

Sie hat mich als Kind schon beim bloßen Vorbeifahren eingeschüchtert, nur wusste ich damals noch nicht warum.

 

Lob des "Kleinmeisters"

 

Johann Sebastian Bach hat die Messlatte hoch gelegt. Die meisten sind an dieser Höhe gescheitert. Doch messe man nicht mit zu langer Elle. Viele heute gerne vergessene und abschätzig "Kleinmeister" genannte Komponisten haben die nebenamtlichen Organisten mit leicht zu spielenden, aber qualitätvollen Orgelstücken versorgt und dadurch viel zum Niveau der Kirchenmusik beigetragen.

Man denke an die (so einst Albert Schweitzer) "beste je geschriebene Orgelschule", die Acht Kleinen Präludien und Fugen, die lange als ein Frühwerk Bachs galten, tatsächlich aber wohl von einem seiner Schüler komponiert wurden.

 

Möchten (wir wirklich)?

 

Das vermeintliche Verbum möchten ist bei Licht besehen kein eigenes Verbum, sondern der Konjunktiv II von mögen. Cum grano salis ein conjunctivus euphemisticus, der einer gewissen Skurrilität nicht entbehrt.

So signalisieren wir im Restaurant dem Ober "Ich möchte zahlen". Aber Hand aufs Herz, wer mag das schon?!

 

Der Karlsgraben (Fossa Carolina)

 

Östlich des Dorfes Graben, nahe des Eisenbahnknotenpunktes Treuchtlingen, wurde vor vielen hundert Jahren zum ersten Mal versucht, Main und Donau mit einem Kanalbau zu verbinden. Die Kanalrinne ist noch heute gut zu erkennen und kann auf einem Pfad erkundet werden; außerdem gibt es vor Ort ein kleines Museum.

Gemeinhin wird angenommen, dass das Unternehmen von Karl dem Großen angestoßen worden ist, eine Ansicht, die zunehmend bestritten wird: Hiernach hätten bereits die in der Region siedelnden Römer mit dem Bau angefangen. Ob nun Karl oder die Römer, als Inspirationsort taugt der Karlsgraben in jedem Fall.

 

Friedrich Nietzsche (1844-1900)

 

Heute, am 15. Oktober, hatte er Geburtstag, Friedrich Nietzsche, der Pfarrerssohn aus dem sächsischen Röcken, der so gern ein Atheist gewesen wäre und es, zumindest für mich, dennoch nicht war. Er war es deshalb nicht, weil Gott für ihn eben keine quantité négligeable war; dazu hat er sich zu sehr an ihm abgearbeitet.

Was mich bis heute an ihm fasziniert, ist sein sehr kraftvolles Deutsch. Das überaus fein gesponnen sein konnte, denn er hat auch wunderbare Gedichte geschrieben.

 

Handwerk oder Geniestreich?

 

Gern wird er gerade hierzulande beschworen: der Bauchschreiber, der ohne Planung aus der Tiefe der Intuition schöpft und dennoch geradlinig ans Ziel kommt.

Sollte es ihn geben, je gegeben haben - ich rechne nicht dazu. Bei Roman-Projekten geht es bei mir nicht aus dem Bauch; ich schreibe vorab ein Exposé, oft auch eine Szenenfolge, gleich dem Drehbuch beim Film. Beides hilft mir dabei, mich des Stoffes zu bemächtigen und die Konflikte auf den Punkt zu modellieren; der beste Schutz gegen Schreibhemmung und Sackgassen. Zumal ich die Erfahrung gemacht habe, dass mir die nötige Beinfreiheit bleibt; denn selbst wenn meine Figuren an einer Stelle woandershin wollten, ging es sich stets aus, war also der Eigensinn der Figur im Plot antizipiert.

 

Die Berggasse in Wien

 

Die Gasse, in der Sigmund Freud wohnte - in Wien, das er zugleich liebte und hasste und dem er stets treu blieb zum Leben und Sterben. Bis der Einmarsch Hitlers ihn doch noch zur Emigration zwang.

Die Bauten sind weithin geblieben; Häuser, wie sie für Wien typisch sind, sein steinernes Gedächtnis seiner Vergangenheit. Dazu der Berg, ein jäher, etwas eigensinnig wirkender Knacks an der Liechtensteinstraße, welcher die zunächst ebene Berggasse urplötzlich zur Währinger Straße hin ansteigen lässt.

Womit wir wieder bei Freud wären; er kannte sie alle, die Knäckse.   

 

Sie schreiben wie? ... Alfred Döblin!

 

Vor einiger Zeit geisterte eine virtuelle Stil-Analyse durchs Netz. Man stellte Textauszüge ein und bekam ein Ergebnis: Sie schreiben wie ... 
Ich testete mehrere Auszüge aus allen meinen Roman-Projekten. Das häufigste Resultat war Alfred Döblin.
Womit ich gut leben kann. Gehört doch Döblins "Berlin Alexanderplatz" für mich seit je zu den großartigsten Romanen der deutschen Literatur. Selbst Arzt, analysierte Döblin messerscharf die Abgründe des fiebernden Berlin der Weimarer Republik, an Hand des Strafentlassenen Franz Biberkopf.
Heute vor 140 Jahren, am 10. August 1878, wurde Döblin in Stettin geboren.

  

Heimweh

 

Kein Symphoniesatz fasziniert mich derart wie der dritte Satz aus Gustav Mahlers dritter Symphonie. Mahler schildert uns die Welt der Tiere - bereits in den ersten Takten wuselt und hüpft es im Walde; später rufen Kuckuck und Nachtigall.

Plötzlich jedoch "menschelt" es: da bläst ein Posthorn. Es klingt wie das Volkslied "Freut euch des Lebens", nur melancholischer. Wehvoller. Mahler hat an Wien oft gelitten, das Horn seufzt zurück, in die Wälder Mährens, Mahlers Heimatland. Ein Ärgernis und eine Torheit jenen, die alles Sentiment aus der Welt hinaus weisheiten möchten, für mich ein kostbarer Trost.

 

Laboratorium Wien

 

Viele Jahrhunderte lang sind deutlich mehr Berühmtheiten in Wien verstorben als dort geboren. In der Zeit zwischen 1850 und 1938 aber, bis zum Einmarsch der Nazis, wuchs Wien nicht nur über die alten Gemäuer hinaus, es wurde auch zum vitalen Zentrum der Avantgarde, in Medizin und Psychologie, Literatur und Musik, Kunst und Architektur. Auch gebürtige Wiener wie Arthur Schnitzler oder Arnold Schönberg trugen nun ganz entscheidend dazu bei.

Sigmund Freud war kein gebürtiger Wiener; er stammte aus Mähren, doch wuchs er in Wien auf, nachdem der Vater seinen dortigen Wollhandel hatte aufgeben müssen. Zeit seines Lebens litt er schwer an der Stadt, verließ sie aber erst 1938 nach dem Einmarsch Hitlers. Denn wo sonst als nur in Wien hätte er dem Unbewussten auf die Spur kommen können?

 

Deutsche Ortsnamen (1): -ach

 

Häufig vor allem als Flussnamen, zumal in Franken (Rodach, Ebrach, Haslach, Aurach). Die "Katzach" gibt es freilich nur in meiner Phantasie. Stammt von ahd. aha = fließendes Wasser. Damit verwandt sind die Ohe im Bayerischen Wald und die niederdeutsche Aa (Münster).
Auch Ortsnamen lauten auf -ach, entweder im Zusammenhang mit dem örtlichen Fluss (Herzogenaurach) oder mit Baum- oder Pflanzennamen - siehe Aichach (von Eiche) oder Birkach.

 

Deutsche Ortsnamen (2): -reut(h), -rod(e), -rade

 

Orte mit einem Namen auf -reut(h) gibt es vor allem in Ostbayern. Das Suffix leitet sich ab von dem früheren (und heute von roden verdrängten) oberdeutschen Verbum reuten, das sich etwa bei Stifter noch findet. Die Namen bezeichnen Beschaffenheit oder Größe der Siedlung (Kleinreuth/Großreuth), aber auch den Namen (Philippsreut) oder Stamm bzw. Stand (Bayreuth, Bischofsreut) der jeweiligen Siedlungsgründer.
Nördlich des Mains lauten solche Ortsnamen auf -rod (Rennerod), -rode (Wernigerode),  -roda (Friedrichroda) oder -rade (Lichtenrade, Radevormwald).
Die gleiche Bedeutung besitzen die im Fichtelgebirge und Vogtland häufigen Ortsnamen auf -grün (Bischofsgrün, Wernesgrün).

  

Deutsche Ortsnamen (3): -ingen

 

Ortsnamen auf -ingen kommen vor allem im Südwesten des deutschen Sprachraums vor und weisen meist auf den Namen des Siedlungsgründers hin. Bei Sigmaringen war es ein Sigimar. Grammatikalisch ist dies Suffix ein Dativ, es meint daher "den Leuten des/um Sigimar (zugehörig)".
Gleicher Etymologie ist das in Bayern vorherrschende Suffix -ing (Manching, Straubing). Dazu tritt noch das eher in Franken, Hessen und Thüringen anzutreffende Suffix -ungen (Salzungen, Kaufungen), wobei, wie man an Salzungen sieht, hier oft eine geographische Eigentümlichkeit (Salzvorkommen) kennzeichnend geworden ist.

 

Max Herrmann-Neiße (1886-1941)

 

Der Theater-Kritiker und Autor Max Herrmann, der den Namen seiner oberschlesischen Geburtsstadt Neiße seinem Zunamen anfügte, ist heute weithin vergessen. Dabei spiegelt er die Abgründe des 20. Jahrhunderts. Der Erste Weltkrieg ruinierte die Gastwirtschaft seiner früh verstorbenen Eltern; Max zog in das fiebrige Berlin. Er war einer der wenigen Künstler, der Karl Valentins Sprachwitz verstand und lebte und mit ihm freundschaftlich korrespondierte. Als junger Mann litt Max sehr an seinem buckligen Kleinwuchs, später auch an der finanziellen Abhängigkeit von Alphonse Sondheimer - dem Geliebten seiner eigenen Frau.

Er schrieb neben Kritiken auch Romane und viele sehr einfühlsame Gedichte, die, zumal auf seiner Flucht vor den Nazis sowie im Londoner Exil, die Entwurzelung des heimatlos gefallenen Menschen illustrieren.

   

Lyrik

 

In letzter Zeit schreibe ich vermehrt Gedichte. Oft ganz spontan, einer Idee folgend, doch nie ohne Form. Formlose Gedichte gibt es nicht, auch nicht ohne Reim und Versmaß; sie alle bedürfen der Ordnung wie die Prosa. Und doch bleibt der Zauber der Intuition, ohne die es nicht geht. Sicher, es gibt Gedichte, an denen ich intensiver feile - aber die meisten schreibe ich binnen weniger Stunden.

 

Der beste Rat - ein Lektorat

 

Inzwischen lektoriere ich auch. Einige mir freundschaftlich verbundene Autorinnen und Autoren haben mir dazu geraten: Ich hätte, neben Rechtschreibung und Zeichensetzung, auch ein Gespür, ob ein Text funktioniert - und wie man ihn verbessern könnte. Sehr viel der Ehre, aber eins spüre ich schon jetzt: Man lernt auch selbst am fremden Manuskript und freut sich unbändig, zu seinem Gelingen beigetragen zu haben.

 

FAQs an den Autor (6): Wann schreiben Sie?

 

Klar ist nur eines: nicht in der Nacht. Ich käme innerlich sonst gar nicht mehr zur Ruhe - und nur in ihr liegt die Kraft.
Mein Richteramt habe ich aufgeben müssen, andere Ämter sind mir erwachsen. Die MS meiner Frau macht mich vor allem zum Chauffeur, Einkäufer und Koch. Daher habe ich keine feststehenden Schreibzeiten. Ich schreibe jedoch, wenn irgend möglich, jeden Tag und halte mir stets einen Tag der Woche frei. Klar, dass es nicht immer gelingt, aber das kennt Ihr ja auch, gell?

  

FAQs an den Autor (5): Seit wann schreiben Sie?

Anders als die meisten Autoren, schrieb ich die ersten vierzig Jahre meines Lebens außer juristischen Fachtexten nicht, schon gar nicht literarisch.
Erst nach meinem krankheitsbedingten Ausscheiden aus dem Richterdienst begann ich zu schreiben. Mein erstes längeres Manuskript war ein hundertseitiges Reise-Feuilleton Berlin entlang der Buslinie 100, das zweite sodann meine Autobiographie mit dem Titel Die Asymptote, in der ich mich mit meiner schweren Depression auseinandersetzte. Aus wohlerwogenen Gründen sind beide Texte unter Verschluss.

 

FAQs an den Autor (4): Was schreiben Sie nicht?

 

Fantasy. Es fällt mir bereits schwer, mich innerlich dort einzuloggen, ganz zu schweigen davon, Figuren und stimmige Plots zu entwickeln. Dies gilt auch für die Welt der Science Fiction.

Einzelne zumeist gleichnishafte Geschichten arbeiten mit Plotstrukturen und Stilmitteln des Märchens, stehen aber mit beiden Beinen auf dem Boden der Wirklichkeit. Für alles Märchenhaftere fehlt mir der Zugang.

Und noch etwas schreibe ich nicht: Thriller. Ich bin dafür zu zart besaitet.

     

FAQs an den Autor (3): Was steht am Anfang eines Projekts?

 

Unterschiedlich. Teils war es ein Ort - etwa das karge Hochtal zwischen Bad Reichenhall und Berchtesgaden. Oder aber eine Idee: Die Überwindung eines Schlaganfalls durch die Heilkraft der Musik. Im aktuellen Projekt ist es die historisch existente Hauptfigur, und der äußere Anlass zu dem Projekt eine Gemeinsamkeit: Wir sind beide an einem 4. Juni geboren (und haben noch vieles mehr gemein).
Einzelnen Romanfiguren nähere ich mich über ihren Namen an, der als erstes feststeht und stets ihr Innerstes widerspiegelt. Erst später interessieren mich äußere Gestalt und Bekleidung.

 

FAQs an den Autor (2): Wo schreiben Sie?

 

Hart am Manuskript allein daheim am Schreibtisch, und nur dort. Vorentwürfe, Notizen und Brainstorming hingegen auch in Kaffeehaus oder Hotelzimmern - gerne auch in der Uni-Bibliothek, wegen der inspirierenden Bücher darum herum und weil ich notorischer Peripatetiker bin, also das Geschriebene (oder zu Schreibende) im Laufen vollziehe. Im Zug eher selten und nur dann, wenn mich niemand beobachtet. Wo ich zudem stets über die Sorglosigkeit vieler Handlungsreisender staune, die selbst heikle Dossiers ungeniert auf dem 17-Zöller zur Schau stellen.

 

FAQs an den Autor (1): Schreiben Sie auch Liebesromane?

Nein. Sollte ich je einen schreiben wollen, gälte dem Liebespaar bereits im Voraus meine ausdrückliche aufrichtige Anteilnahme.
Dennoch spielt die Liebe bei allen meiner Roman-Projekte mit hinein, aber eben nur mit angezogener Feststellbremse.

 

Erich Kästner (1899-1974)

Das Leben ist nichts für Konfirmanden, gleich welchen Alters sie sind, dieser, hier leicht abgewandelte, Satz aus dem Schlusswort von Kästners Roman Fabian, auf den der Autor ihn gemünzt hat, geht mir nicht aus dem Sinn, da ich mich mit einer Kästner-Biographie meiner lieben Kollegin und Freundin Isa Schikorsky beschäftige.

Kästner war ein sensibler Mensch. Der nicht nur darunter litt, der immerwährende Sohn einer in ihn vernarrten Mutter zu sein. Sondern, wohl vor demselbem Hintergrund, auch daran, dass er, nach Hitler, Anpassung und Krieg, wegen seiner wunderbaren Romane für Kinder geachtet und gelesen blieb, jedoch kaum mehr zündende neue Bücher zuwege brachte.

 

Liesl Karlstadt (1892-1960)

 

Vor 125 Jahren wurde Liesl Karlstadt als fünftes Kind in eine bitterarme Bäckergehilfen-Familie geboren. Früh lernte sie, fest auf eigenen Füßen zu stehen. Wuchs nicht nur zur Partnerin, sondern zu Karl Valentins rechter Hand und zur Mit-Schöpferin seiner Stücke heran. Und blieb doch stets die "kongeniale" Partnerin; grad so, dass man das Geniale an ihr überging. Immer war der Schriftzug Karl Valentin auf den Plakaten mächtiger als der ihre, und selbst Speerspitzen des Fortschritts wie Bertolt Brecht oder Lion Feuchtwanger übersahen sie geflissentlich.
So litt sie, wurde derart krank, dass sie erst von Valentin loskommen musste, um wieder zurück ins Leben zu finden. Daher sei ihrer in besonderer Liebe gedacht.

 

Martin Luther

 

Ob Lutherbrezeln oder Lutherwein, Playmobil-Figuren oder Luthersocken - man hat ihn schamlos überstrapaziert. Bei solcherlei Luther-Gulasch gerät leicht aus dem Blick, dass der ebenso überstrapazierte Thesenanschlag höchstens ein Mosaikstein der Reformation war.
Erfreulich hingegen ist, dass das Luther-Jahr der Ökumene zugearbeitet hat. Wobei sich erst erweisen muss, was im bürokratischen Klein-Klein des Apparates Kirche tatsächlich Bestand haben wird. Es wird da letztlich wieder auf die beiderseitigen Protagonisten vor Ort ankommen.

 

Bamberg

 

Wann immer ich mitteile, dass ich bei Bamberg wohne, blicke ich in leuchtende Augen: Wow, Bamberg! War ich auch schon. Eine wunderbare Stadt.

Bamberg ist wunderbar - dank der Gunst, vom Zweiten Weltkrieg weitgehend verschont worden zu sein (was die Bamberger so gern verschweigen oder nicht wahrhaben wollen), ist es ein Juwel der Geschichte.
Bloß leben die Bamberger im Jetzt, und das ist eher wenig ersprießlich. Wegen fast eines Dutzends Brauereien auf gut 70.000 Einwohner herrscht in dieser Stadt seit langem eine bleierne Lethargie, die die Probleme Bambergs (und die gibt es en masse) eher locht und abheftet, anstatt sie zu lösen.

 

Festina lente!

 

Wer ist heute noch zu Schiff oder gar zu Pferd? Stattdessen sitzen wir im Flieger oder im SUV mit 230 Sachen Höchstgeschwindigkeit, den wir gerne, um nicht zu Fuß zu sein, für die 500 Meter zu den Sonntags-Brötchen besteigen. Heute, da wir die Malediven binnen eines Tages (und im Internet sofort) erreichen können, ist uns das Maß für Weg und Ziel zunehmend abhandengekommen.

Daher: Festina lente, eile mit Weile! Gönnen wir uns die Zeit, bewusster, da mit Bedacht, zu reisen. Und möglichst nicht nur zur Urlaubszeit.

 

Von Speier nach Bayern

 

Die heutige Schreibung Bayerns mit "y" geht auf König Ludwig I. zurück. Er, der Freund der klassischen Antike, ließ die klassizistischen Bauten in München errichten und adelte sein Baiern mit dem Ypsilon der griechischen Sprache.

Auch die Schreibung von Speyer stammt aus dieser Zeit, zumal die Bischofsstadt damals zur bayerischen Pfalz gehörte. Bei Speyer dürfte freilich auch das unschöne Wort speien eine Rolle gespielt haben (die Etymologie ist jedoch umstritten).

 

Organistenamt einst und jetzt

 

In größeren Städten gibt es seit je hauptamtliche Kantoren, man denke nur an Bach und sein Leipziger Thomaskantorat. In den Dörfern und Kleinstädten indes saßen, bis weit in das 20. Jahrhundert hinein, fast überall die Lehrer an der Orgel. Deren Berühmtester ist Lehrer Lämpel aus "Max und Moritz". Die verbreiteten Klagen, es habe sich eher um ein Schlagen als ein Spiel der Orgel gehandelt, sind übertrieben, zumal die Lehrerorganisten von engagierten Kantoren und Komponisten mit leicht zu spielender, aber qualitätvoller Literatur versorgt wurden.

Inzwischen gehört es zum Amt der hauptamtlichen Kantoren, sich um nebenamtlichen Nachwuchs für die Landgemeinden zu kümmern.

 

Unser täglich Luther ...?

 

Lutherbrezeln, Lutherwein, Luthersocken ... ahnte der Reformator, wofür er dieser Tage so alles herhalten muss, griffe er vermutlich ebenso hart durch wie Jesus gegenüber den Geldwechslern im Tempel. Es ist so leicht, sich mit Luther zu schmücken. Schwieriger ist es schon zu entwickeln, was Luthers unerschütterlicher Glaube uns heute noch zu sagen hat und wie die heutige Kirche in seinem Sinne zu reformieren wäre. Da kommt von den Kirchen der Reformation eher wenig. Aber geben wir, gut lutherisch, die Hoffnung nicht auf. Das Lutherjahr währt noch einige Zeit.

 

Bamberger Gschichtla (1): Das Apfelweibla

 

Bamberg, Eisgrube 14, ein Türknauf wie ein Apfelgesicht. Es inspirierte E.T.A. Hoffmann zu seiner Erzählung Der goldene Topf.

Hoffmann war nicht bloß Autor, sondern auch ein herausragender Musiker. Er war von 1808 bis 1813 Musikdirektor des Bamberger Theaters. Doch hatte er zuvor seine Stelle als Jurist in Warschau verloren, und so galt er, der versierte Komponist, in Bamberg nur als Dilettant. Bei seiner Abreise 1813 überschrieb er seine Bamberger Zeit als üble Lehr- und Marterjahre.

 

Bamberger Gschichtla (2): Der Prostata-Brunnen

 

Vor vierzig Jahren an Gründonnerstag 1977 wurde in Bamberg, als krönender Abschluss der neuen Fußgängerzone, mit viel Aplomb ein Brunnen in Dienst gestellt. Er bestand aus etwa hundert unterschiedlich langen und zu drei symmetrischen Kreisen gestellten Metallröhren, als denen je eine Wasserfontäne in die Höhe steigen sollte.

Doch als der Oberbürgermeister auf das rote Knöpfchen drückte, quoll aus den Röhren nur ein dürres Rinnsal, weshalb der Brunnen im Volksmund bald den Namen Prostata-Brunnen bekam - und nach einem Jahr wieder abgebaut wurde.

Heute gibt es an dieser Stelle den Gabelmann, einen anderen Brunnen mit Neptun und güldenem Dreizack.

 

Karl Valentin (1882-1948)

 

Er war ein Künstler-Genie. Ohne nennenswerte Anleitung spielte er beinahe ein Dutzend Musikinstrumente, von der Zither bis zum Fagott; er sang, komponierte, arrangierte und inszenierte. Zog auf der Bühne, zusammen mit seiner Liesl Karlstadt, das Publikum mit seinen Sprachverdrehungen in den Bann. Und war doch nach seinem Tod in München, seinem München, erschreckend schnell vergessen.

So sei hier an ihn erinnert, den, gleich mir, von Ängsten geplagten Hypochonder, dessen visionärste Figur, der Buchbinder Wanninger, weit über München hinaus sprichwörtlich geworden ist.

 

Sonderbare Ortsnamen (1): Berlin

 

Die Etymologie ist nicht unanfechtbar geklärt. Wie alle Ortsnamen auf -in im Nordosten des deutschen Sprachraumes ist Berlin sicher slawischen Ursprungs, alles andere verliert sich im märkischen Flugsand.

Die Keimzelle des Ortes im 12. Jahrhundert ist in der Nähe des heutigen Mühlendamms zu vermuten. Etwas weiter südlich lag Cölln (vgl. der heutige Bezirk Neukölln), das bald mit Berlin zu einer Doppelstadt vereinigt wurde. Während Cölln sicher eine Anleihe von Köln am Rhein ist (die heutige Schreibung Kölns mit k setzte sich erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch), wird Berlin vermutlich auf die altslawische Wurzel birl (= Sumpf) zurückzuführen sein.

 

Sonderbare Ortsnamen (2): Schaffhausen

 

So fleißig die Schweizer auch sind, mit dem Verbum schaffen hat Schaffhausen nichts zu tun. Der Ortsname kommt vermutlich von ahd. szafa (Schiff), denn der Schifffahrt hat Schaffhausen seinen Reichtum zu danken. Wegen des benachbarten Rheinfalls mussten die Rheinschiffer ihre Güter auf dem Landwege durch die Stadt fahren, und die ließ sich diese teuer verzollen. In gleichem Sinne ist auch eine Ableitung von ahd. szapf (Scheffel) denkbar. Des weiteren von dem althochdeutschen Wort für Schaf, tragen doch Münzen der Stadt einen Widder.

 

Sonderbare Ortsnamen (3): Maulbronn

 

Das weitberühmte Kloster in Württemberg hat einer Legende nach (wenn's nicht stimmt, ist es stimmig erfunden) seinen Namen von einem durstigen Maulesel, der sich, am Orte des heutigen Klosters, an einer Quelle gütlich tat, weshalb die reisenden Mönche dort ihr Kloster gründeten.

Einer anderen Kunde nach stammt der Name Maulbronn von einer älteren Ansiedlung namens Mulenbrunn her, ein Namen, der ebenso gedeutet werden könnte, als "Brunnen der Mulis". Eher anzunehmen ist aber die Herleitung von einer an dem Flüsslein Salzach gelegenen Mühle.

 

Sonderbare Ortsnamen (4): Schweinfurt

 

Friedrich Rückert haderte sehr mit seiner (und meiner) Geburtsstadt: "Hättest Mainfurt, hättest Weinfurt heißen können, weil du führest Wein, aber Schweinfurt, Schweinfurt sollt es sein."
Der bereits 791 bezeugte Name leitet sich entweder von suin/swin (= Schwein) oder von einem niederdeutschen Wort suin (= Sumpf) ab. Eine zeitweise euphemistische Deutung des Namens als Furt der Schwaben ist dagegen nicht schlüssig.

 

Verschwundene Wörter (1): Lenz

 

Ist nur mehr in alten Volksliedern lebendig. Heutigen Tages grüßt uns ausschließlich der Frühling, der Lenz dagegen ist ins Komische abgeglitten - in Kalauer wie "Der hat schon fünfzig Lenze."
Dabei war der Lenz bis ins siebzehnte Jahrhundert unangefochten. Erst um 1700 wurde er vom Frühling verdrängt. Etymologisch ist Lenz aus dem Wort "lang" hervorgegangen, wegen der immer länger werdenden Tage. Und er dürfte entfernt verwandt sein mit dem englischen Wort Lent, das ebenfalls nicht mehr den Frühling, sondern die Fastenzeit vor dem Osterfest bezeichnet.

 

Verschwundene Wörter (2): Scheffel

 

Seit Luthers Bibel-Übersetzung in aller Munde, als Wink mit dem Zaunpfahl gegen allzu große Bescheidenheit. So sehr in aller Munde, dass sich ein Sturm der Empörung erhob, als Scheffel bei einer früheren Revision der Lutherbibel durch das moderne Eimer ersetzt werden sollte.
Im wörtlichen Sinn ist Scheffel ein Holzgefäß oder -bottich, dazu zeitweise auch ein Maß für Getreide. Das freilich weiß heute kaum jemand mehr.

 

Verschwundene Wörter (3): Harm

 

Das aus der Alltagssprache fast verschwundene Wort meinte einst Schaden, Leid.  Heute bedeutet es seelische Belastung. Dazu die Wörter verhärmt und abgehärmt = von den Wechselfällen und Sorgen des Lebens gezeichnet.

Überlebt hat hingegen das Adjektiv harmlos - in der Ausgangs-Bedeutung unschädlich, unbedenklich. Und im Englischen ist harm gleich Schaden nach wie vor in allgemeinem Gebrauch.

 

Verschwundene Wörter (4): Minne

 

Altes deutsches Wort für Liebe - bis hin zu Luther entlang des Rheins und an der oberen Donau beheimatet. Später leider durch das sächsische Lutherdeutsch verdrängt und als derb und anstößig empfunden, jedoch dann durch die Romantiker wiederbelebt. Heute nur mehr im Worte Minnesang lebendig - welcher ebenfalls vor allem im Südwesten des Deutschen Reiches angesiedelt war.

 

Verschwundene Wörter (5): Wörth

 

Altes deutsches Wort für Insel (dieses von lateinisch insula, also ein Lehnwort) und aus dem allgemeinen Wortschatz verschwunden. Lebt indes in diversen Schreibweisen weiter in Ortsnamen (Donauwörth, der Wöhrder See in Nürnberg). Nahe des Rheins zuweilen auch in der Schreibung Werth (Wertheim, Clemenswerth).
Im Niederdeutschen Werder (und fußballtechnisch noch eher in aller Munde). Dazu in Ortsnamen wie Finkenwerder.

 

Martin Luther

 

Ja, er war ein schwieriger Mensch. Hat gegen die Juden und die aufständischen Bauern gewettert. Konnte stur und rechthaberisch sein und war so deutsch, dass er vielleicht bis heute der deutscheste aller Deutschen ist. Oder, in der Sprache der Bibel: Dem einen ein Ärgernis, dem andern eine Torheit.

Jedoch versuche man nicht, ihn weichzuspülen; man lasse ihm seine Ecken und Kanten. Vor allem aber kommerzialisiere man ihn nicht, wie ein schickes Parfum, mit dem man sich flüchtig umgibt.
Und man lerne von ihm: vielleicht müssen die Kirchen, um Gehör zu finden, wieder zum Ärgernis werden.

 

Fränkisch für Anfänger (1): aweng

Ist allenfalls annäherungsweise ein wenig. Schon eher mit Augenmaß und Bedacht oder auch mit viel, viel Herz.

Gerne auch zur Abmilderung eingesetzt, zum Beispiel beim Blick auf die Todesanzeigen in der Zeitung: "Jo wer is denn heut aweng gstorm?"

 

Fränkisch für Anfänger (2): fei

 

Nicht zu übersetzen - allenfalls ins Bayrische, wo es dieses Wort auch gibt. Dient uns zur augenzwinkernden Bekräftigung: "Sou geht des fei ned". Oft schwingt auch etwas Trotz mit rein: "Ich bin fei aa no da!"
Ist kein fränkischer Eigensinn - ähnliche Wörter gibt es auch in allen anderen deutschen Mundarten.

 

Twitter

 

Jetzt zwitschere ich auch. Doch auch hier gilt: Man muss sich erst hoch zwitschern, dass man wirklich durchdringt. Es braucht einen langen Atem und stets den rechten Post zur rechten Zeit.
Doch auch hier gilt meiner Erfahrung nach: Man verzettle sich nicht. Wer seine eigenen Projekte hintanstellt vor lauter Zwitschern und Facebooken, der hat bald nichts mehr zu zwitschern.

Und man tanze nicht auf zu vielen Hochzeiten. Zwei Netzwerke, gezielt und mit Bedacht bespielt, sind besser als gelegentliche Posts ins Nirwana.

 

Vom Übersetzen

 

Übersetzers Brot ist trocken Brot. Sie sind zwar im Vorspann des Buches aufgeführt, aber sie werden schlecht bezahlt und arbeiten unter Zeitdruck. Schwierig ist es auch, die hohe Qualität ihrer Arbeit zu ermessen, müsste man doch hierzu beide Sprachen gleichermaßen gut beherrschen.

Desto mehr sei hier eine Lanze für sie gebrochen. Denn eine gute Übersetzung ist mehr als „Subjekt, Prädikat, Objekt“. Sie kann bei einigen Sachbüchern auch einmal auf eine völlige Neubearbeitung des Werks hinauslaufen.

 

Kleines Bestiarium der Orthographie

 

Warum sind es allenthalben die gleichen Wörter, die falsch geschrieben werden; selbst von Menschen, die schreiben können?

Oft steckt eine falsche Analogie dahinter; man schließt unzutreffend von einem ähnlichen Wort oder Wortteil her: Wer entgültig schreibt, hat die Vorsilbe ent- im Kopf – und denkt es nicht zu Ende. Bei säen mit h schimmert nähen durch. Und schwupps prangt darunter die Wellenlinie. Hoffentlich.

 

Unserer Katze Freya zum Gedenken

 

Vor sechs Wochen noch schärftest Du an Deinem Kratzbaum die Krallen, augenscheinlich gesund. Und doch wohl schon schwer nierenkrank.

Stets hast Du tapfer die Zähne zusammengebissen, nach dem schweren Unfall im Sommer 2010 und nun vor einer Woche, als selbst beim Tierarzt jede Hilfe zu spät kam.

Du hast mich treu durch unruhige Zeiten und Wenden begleitet. Mir gern beim Schreiben zugeschaut und Dich zuweilen auf meine Manuskripte gelegt.

In unseren Herzen lebst Du weiter.

 

Autor Unpolitisch?

 

Sorry, ich verbreite hier keinerlei tagespolitische Statements. Solches mag zu dem Schlusse verleiten, ich besäße keine (oder die falschen) Überzeugungen. Weit gefehlt. Mein Credo: Politisches Denken und Handeln sei liberal - jedoch nicht à la FDP, sondern frei von allen Dogmen, Lebenslügen und Denkverboten.

Vor allem jedoch: Die Wahrheit, auch in der Politik, ist nie schwarz oder weiß. Wer, gleich welcher Couleur, immer nur in eine Richtung keilt, verliert den Blick für die Zwischentöne der Ausgewogenheit. 

 

Lob des Konjunktivs

 

Warum schreibt (geschweige denn spricht) niemand mehr „hülfe“? Oder „kröche“? Wegen des kruden Umlauts? Als Folge des englischen „would“? Oder bloß deshalb, weil man sonst über die eigene Sprache mal nachsinnen müsste?

Gewiss ist nur eines: Dass dadurch wieder ein Stück Klangreichtum der deutschen Sprache verschwände.

 

Furt sei das Schwein …? – Bei mir kehret ein …! Zum 150. Todestag Friedrich Rückerts

 

Richtig froh wurde Rückert mit seiner (und auch meiner) Geburtsstadt Schweinfurt nicht. Auch als Schriftsteller nicht. Für einen Poeten war er stets zu wissenschaftlich, für einen Wissenschaftler viel zu poetisch. Bestand hat er freilich als Übersetzer - der Sprachen des Orients.

Wie not täte auch heute so ein Brückenbauer zwischen Ost und West!

 

Phänomenologie der Autoren (1): Der Genießer

 

Heutigen Tags mutmaßlich der häufigste Typus: Kleiderordnung salopp. Schreibtisch nicht zu aufgeräumt, eher kreatives Chaos.

Dazu, ganz nach Gusto, Butterkekse, Vollnuss-Schokolade oder Gummibärchen. Oder nur eine Tasse Kakao oder Cappuccino.

 

Phänomenologie der Autoren (2): Der Geometer

 

Schreibt seine Texte - selbst bloße Notizen - im Blocksatz, denn jeder flatternde Zeilenrand beeinträchtigt sein geometrisches Gleichgewicht.

Dessen zweite Potenz ist der Zeilen-Geometer, der in jeder Zeile so viele Zeichen wie nur irgend möglich unterbringt, um die durch den Blocksatz bedingten Lücken zwischen den Wörtern zu minimieren.

 

Phänomenologie der Autoren (3): Das Genie

 

Wie einst Thomas Mann: Nicht von dieser Welt, jedenfalls zwischen 9 und 12 (bei anderen 14 und 18) Uhr. Weiß alles über Lotte und Weimar oder strengen Kontrapunkt. Aber nicht, wo im Hause Geld zu finden ist.

Benötigt deshalb Ehegespons, Kinder, Dienstboten etc. pp., die ihm, dem Genie, allfällige Briefträger, Telefonate und ähnliche Imponderabilien ersparen.

 

Bilder einer Ausstellung

 

In Museen summe ich öfters Mussorgskys Bilder einer Ausstellung dazu; Musik, die dieser Komponist wie im Fieber geschrieben hat, nach dem Besuch einer Gedächtnis-Ausstellung des verstorbenen und mit ihm eng befreundet gewesenen Künstlers Victor Hartmann. Ein Gipfel der Musikgeschichte!

Wo ich dieser Tage war? In der Schirn zu Frankfurt, in: Sturm-Frauen, Künstlerinnen der Avantgarde.

Was Mussorgsky wohl auf diese Ausstellung hin komponiert hätte?

 

Danke, Ihr lieben ... 

 

mein Griffel zaudert: (Autoren-)Kolleg(inn)en? Erinnert mich an Behörde, an Schnitzel in der Kantine. Freundinnen und Freunde? Klingt mir fast zu arg nach Facebook. Schwierig, sehr schwierig.

Aber ich weiß wohl, Ihr versteht mich auch so: Ihr vielen lieben Menschen, die Ihr mir, sei es schon vor Jahren, sei es erst gestern, auf meinem Wege zum Schriftsteller begegnet seid und mich darauf begleitet und weiter fortzuschreiten ermutigt habt.

 


Martin Meyer

Schriftsteller und Musiker


© Autorenfoto unten links: Manuela Obermeier

© (Autoren)Fotos Hintergrund & Slideshow: Ulrike Schaller-Scholz-Koenen, Manuela Obermeier und Vera Trescher

 

 

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